"Wehrpflicht Nein Digga"

"Wehrpflicht Nein Digga"
Tausende Jugendliche protestieren bundesweit gegen Wehrdienst
Tausende Schülerinnen und Schüler haben bei Demos gegen den künftigen Wehrdienst ihrer Wut Luft gemacht. Bundesweit fanden im Laufe des Freitags Proteste statt - teilweise während der Unterrichtszeit. Für März ist der nächste Streiktag angesetzt.
05.12.2025
epd
Von Susanne Rochholz und Jonas Grimm (epd)

Berlin (epd). Bundesweit haben Schülerinnen und Schüler am Freitag gegen den vom Bundestag beschlossenen Wehrdienst demonstriert. Parallel zur abschließenden Debatte und Abstimmung im Parlament gingen Tausende junge Menschen gegen das Vorhaben auf die Straße. „Wir wollen nicht ein halbes Jahr unseres Lebens in Kasernen eingesperrt sein, zu Drill und Gehorsam erzogen werden und töten lernen“, hieß es in dem bundesweiten Aufruf zum „Schulstreik“.

Das vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht ab nächstem Jahr eine Musterungspflicht für junge Männer von 18 Jahren und das verpflichtende Ausfüllen eines Fragebogens vor. Obwohl der Wehrdienst selbst freiwillig ist und die Möglichkeit zur Kriegsdienst-Verweigerung bestehen bleibt, standen die Protestaktionen unter dem Motto „Schulstreik gegen Wehrpflicht“. Die Organisatoren listeten auf einer Projekt-Webseite Aktionen in fast 90 Städten und Regionen auf.

Unterstützung durch Gewerkschaften und Eltern

Das organisierende Komitee teilte am Mittag mit, dass sich bis 13 Uhr bereits 40.000 Schülerinnen und Schüler in mehr als 80 Städten an den Kundgebungen beteiligt hätten. Zu dieser Zeit hatten noch gar nicht alle Aktionen zu dem Streiktag begonnen.

In Berlin nahmen Tausende Menschen an dem Protest teil. Ab Mittag zogen nach Angaben der Organisatoren bis zu 7.000 Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines „Schulstreiks gegen Wehrpflicht“ vom Halleschen Tor aus durch den Stadtteil Kreuzberg. Die Polizei sprach von rund 3.000 Teilnehmenden. Am späten Freitagnachmittag startete am Kreuzberger Oranienplatz eine weitere sogenannte „Demo für Alle“ in Richtung Neukölln.

Forderung nach Sondervermögen für Bildung statt für Rüstung

In teils emotionalen Reden kritisierten die Jugendlichen beispielsweise in Magdeburg das erklärte Ziel „Kriegstüchtigkeit“. „Ich will einen Staat, der ein Sondervermögen für Bildung schafft, nicht für Waffen“, forderte ein Schüler in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Andere Redner kritisierten, dass junge Menschen bei den Überlegungen zum neuen Gesetz nicht eingebunden worden seien. In Saarbrücken war auf Plakaten zu lesen: „Von unten gegen die Kriege von oben. Krieg dem Krieg“ oder „Wehrpflicht Nein Digga“.

Eine der größten Veranstaltungen fand nach Polizeiangaben in Göttingen statt. Dort demonstrierten in der Spitze rund 1.000 Teilnehmende. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es Kundgebungen unter anderem in Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Essen, Dortmund und Münster. Dabei fanden sich nach Polizeiangaben bis zu mehrere Hundert Teilnehmer ein. Laut Polizei verliefen die Aktionen ohne größere Zwischenfälle.

Konsequenzen wegen verpasstem Unterricht drohen

Viele der Schulstreiks fanden nach dem Vorbild der Klimaproteste von „Fridays for Future“ während der Unterrichtszeit am Vormittag statt. Die Bundesschülerkonferenz hatte im Vorfeld dazu aufgerufen, Schülerinnen und Schüler für die geplanten Proteste vom Unterricht freizustellen. Viele Schulen lehnten das ab.

Aus Sicht des Deutschen Anwaltvereins können Schülerinnen und Schüler „einen Anspruch auf Unterrichtsbefreiung haben“, wie der Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Wilhelm Achelpöhler, auf epd-Anfrage erklärte. Bei den Klimaprotesten von „Fridays for Future“ habe sich gezeigt, „dass Ordnungsmaßnahmen umso weniger eine Rolle spielten, je mehr Schülerinnen und Schüler an den Demonstrationen teilnahmen“.

Die Initiatoren wollen auch künftig „jedem Schritt zur Einführung der Wehrpflicht etwas entgegensetzen“. Sie kündigten für den 5. März den nächsten Schulstreik an, „der noch größer und stärker werden soll“.