Brüssel (epd). Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und knapper Kassen ringen Kirchen in Deutschland und Europa um die Zukunft ihrer Gotteshäuser. „Gebäude müssen für Menschen da sein und nicht umgekehrt“, betonte Anne Gidion, Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am Montagabend bei einer Veranstaltung der EKD in Brüssel. Es gelte, Nutzungen zu finden, „die heute funktionieren“. Das bedeute in manchen Fällen schmerzhafte Abschiede, aber auch Chancen. Rund ein Drittel der Kirchen wird Schätzungen zufolge langfristig nicht mehr für Gottesdienste benötigt.
Die Kulturbeauftragten Johann Hinrich Claussen von der EKD und Jakob Johannes Koch von der katholischen Deutsche Bischofskonferenz verdeutlichten anhand zahlreicher internationaler Beispiele, wie weit die Transformation kirchlicher Räume bereits fortgeschritten ist und wie komplex sie sein kann. Besonders der Blick in die Niederlande, wo mehr als 2.000 Kirchen umgewidmet oder verkauft wurden, könne Orientierung geben. In Maastricht etwa ist eine Buchhandlung in ein ehemaliges Gotteshaus eingezogen.
„Wir sind noch ein bisschen verspannt“
Lange sei man davon ausgegangen, dass der Handlungsdruck nur regional bestehe, sagte Koch. Doch inzwischen sei die Lage deutschlandweit dramatisch. Sowohl evangelische als auch katholische Gemeinden verzeichneten seit der Pandemie stark rückläufige Gottesdienstbesuche, je nach Ort zwischen 35 und 60 Prozent. Die Debatte über neue Nutzungskonzepte aufzuschieben, könne man sich kaum noch leisten.
„Eine Kirche einfach abzuschließen, kostet im Durchschnitt rund 5.000 Euro im Monat“, erklärte Koch. Länder wie die Niederlande und Belgien seien Deutschland bei der Umnutzung um Jahrzehnte voraus. „Wir sind noch ein bisschen verspannt“, sagte er. Gleichzeitig warnte er vor Schnellschüssen. Kirchen prägten mit ihrer oft herausragenden Architektur das Stadtbild, nicht ohne Grund stünden 80 bis 90 Prozent unter Denkmalschutz.
„Man wird nicht jede Kirche retten können“
Claussen erinnerte daran, dass Kirchenbauten Gemeingüter seien: „Sie gehören nicht nur den Kirchen, sondern der Gesellschaft.“ Das müsse bei allen Überlegungen zu neuen Funktionen berücksichtigt werden.
Dabei gebe es überzeugende und weniger überzeugende Beispiele. Als „Top“ nannte er die frühere Elias-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg, in der heute ein Kindermuseum untergebracht ist. Als „Flop“ bezeichnete er ein Hamburger Projekt: Dort wurde wegen des Denkmalschutzes ein Abriss verhindert, woraufhin eine Kita eingerichtet wurde, „ohne Fenster und mit schlechter Belüftung“. Seine Lehre daraus: Den Wandel annehmen und notwendige Abschiede akzeptieren. „Man wird nicht jede Kirche retten können.“



