Tübingen, Hannover (epd). Femizide von Männern an Partnerinnen im Zusammenhang mit Trennung oder Eifersucht sind mit Abstand die häufigste Form von Femiziden in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag vorgestellte Studie des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen in Hannover, die gemeinsam 133 Fälle untersuchten.
Insgesamt 108 und damit die meisten der 133 versuchten und vollendeten Femizide (81,2 Prozent) ereigneten sich in oder nach einer Partnerschaft. 78, also rund drei Viertel dieser Femizide, standen in Zusammenhang mit einem Konflikt über eine tatsächliche oder befürchtete Trennung oder eine tatsächliche oder vermeintliche sexuelle Untreue des Opfers. Die Mehrzahl der Täter, die ihre Ex-Partnerin töteten, hatten sexistische Einstellungen oder ein traditionelles Geschlechterrollenverständnis.
Die meisten Opfer hatten sich nicht an die Polizei gewandt
War der Partner der Täter, hatten die meisten Opfer eines Femizids zuvor weder Schutz in einem Frauenhaus gesucht noch sich an die Polizei gewandt - häufig aus Angst vor einer weiteren Gewalteskalation. Selbst wenn es zur Anzeige gekommen war, versuchten manche betroffenen Frauen, diese im Nachhinein zurückzunehmen. 8,3 Prozent der Täter nutzten Umgangssituationen mit einem gemeinsamen Kind, um sich über Gewaltschutzmaßnahmen hinwegzusetzen und die Frau zu töten. In drei Fällen hatten die Opfer Probleme, einen Platz in einem Frauenhaus zu bekommen.
Bei der Mehrzahl der Täter, die Partner waren, ging ein geringes Bildungsniveau mit einer wirtschaftlich angespannten Situation einher. Außerdem waren viele Täter psychisch auffällig: Bei 49 Prozent gab es eindeutige Hinweise auf eine psychische Erkrankung und bei 44 Prozent auf ein Suchtproblem. Oft kam es vor der Tat bereits zu Gewalt in der Beziehung.
Die Fachleute aus Kriminologie, Rechtswissenschaft, Soziologie und Psychologie empfehlen als Konsequenzen aus der Studie, die Zahl der Plätze in Frauenhäusern zu erhöhen, die Versorgung psychisch erkrankter Menschen zu verbessern und die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für das Thema geschlechtsbezogener Gewalt noch mehr zu sensibilisieren. Handlungsbedarf sehen sie auch bei sexistischen Sozialisationsmustern von Männern, die Gewalt begünstigen können. Um die Forschung zu Femiziden zu stärken, sei es dringend geboten, einen „German Homicide Monitor“ einzuführen, also eine kontinuierliche Analyse der Tötungskriminalität in Deutschland.
Sexistisches Motiv spielte bei 74 von 133 Fällen eine Rolle
Das Projekt „FemiziDE“ hat 292 Strafverfahrensakten aus fünf Bundesländern zu Tötungsdelikten mit mindestens einem als weiblich registrierten Opfer analysiert, die im Jahr 2017 in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst wurden. Das Jahr 2017 wurde ausgewählt, um sicherzustellen, dass die Strafverfahren tatsächlich abgeschlossen waren. Nach Ausschluss von Fehlerfassungen, Fällen ohne Tatnachweis und ohne Tötungsvorsatz blieben 197 Fälle von versuchten und vollendeten Tötungsdelikten zulasten von Frauen. Davon wurden 133 als Femizide in einem weiteren, soziokulturellen Sinne klassifiziert. In 74 dieser 133 Fälle stellte das Wissenschaftler-Team ein sexistisches Motiv und damit ein Femizid im engeren Sinn fest.




