Berlin (epd). Die Zivilgesellschaftsforscherin Christin Jänicke sieht in der „Antifa-Ost“ keine homogene Gruppe mit festen Strukturen. „Das Verbindende ist sozusagen der Kampf gegen Neonazis“, sagte die Wissenschaftlerin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Gruppe um die Angeklagten im sogenannten „Antifa-Ost“-Verfahren sei ihr zufolge „hierarchiefrei“ oder besitze „hierarchiearme“ Strukturen. Am Donnerstag hatte das US-amerikanische Außenministerium die „Antifa-Ost“ sowie weitere Gruppen aus Italien und Griechenland zu Terrororganisationen erklärt.
„Signal an die extreme Rechte in Europa“
Die Forscherin vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) erklärte, rechtsextremistische Gruppen seien „viel stärker hierarchisch“ organisiert und verfügten über klarere Strukturen und Auftritte in sozialen Medien. „Das ist auch ein neues Selbstbewusstsein, was junge Neonazis da gerade an den Tag legen.“
Daher sei die Einstufung durch die USA eher als „Signal an die extreme Rechte in Europa“ zu sehen, erklärte Jänicke. Vieles spreche dafür, dass sich mit der AfD ausgetauscht wurde, sowie mit der Orban-Regierung in Ungarn. Diese hatte die „Antifa-Ost“ Ende September auf ihre nationale Anti-Terrorliste gesetzt.
Der Begriff „Antifa-Ost“ wurde im Dresdner Linksextremismusprozess medial benutzt. Dort wurden Lina E. und drei weitere Angeklagte wegen zwischen 2018 und 2020 verübter Angriffe auf Rechtsextremisten und solche, die für Rechtsextremisten gehalten wurden, zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im Verfassungsschutzbericht 2024 wird auch die nach Ungarn ausgelieferte Maja T. zur „Antifa-Ost“ gerechnet.
Antifa-Ost als „geografischer Raum“
Die Wissenschaftlerin erklärte, der Begriff „Antifa-Ost“ sei eher als „geografischer Raum“ aufgemacht worden, da sich das Verfahren auf die Tatorte in Sachsen und Thüringen bezog, wo starke rechtsextreme Strukturen bestehen. Jänicke wies zudem darauf hin, dass die Beteiligten wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden - nicht wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung.
Die USA setzten die „Antifa-Ost“ zunächst auf die Liste der weltweit agierenden Terrorgruppen (SDGTs), ab dem 20. November soll die „Antifa-Ost“ zudem auf der Liste der ausländischen Terrororganisationen (FTOs) stehen. Damit stünden sie in einer Reihe etwa mit der Hisbollah, dem „Islamischen Staat“ oder Boko Haram.
Jänicke arbeitet am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Zu ihren Publikationen zählen „30 Jahre Antifa in Ostdeutschland“ und „Die unsichtbare Antifa-Ost“.




