Berlin (epd). An den deutschen Gedenkstätten, die die Erinnerung an die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten und die Repression in der DDR wach halten, nagt der Zahn der Zeit. Auf allein 140 Millionen Euro wird der Sanierungsbedarf der in Brandenburg gelegenen NS-Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück geschätzt, wie der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker, erläutert. Und auch bei der Vermittlung der Geschichte wird es Zeit - für neue Formate, weil immer weniger Zeitzeugen leben und junge Menschen auch nach digitalen Formaten verlangen.
Auf diese Herausforderungen reagiert die Bundesregierung mit einer neuen Gedenkstättenkonzeption, die am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Der Abstand zu den historischen Ereignissen wachse, sagte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos). „Darum braucht Erinnerung neue Wege und neue Werkzeuge“, sagte er.
Weimer: Gedenkstätten machen Demokratie „zukunftsfest“
Gedenkstätten böten nicht nur Rückblick, sondern machten die Demokratie „zukunftsfest“, sagte Weimer. Im Konzept heißt es dazu: „Indem sie das Gedächtnis an Unrecht und Verfolgung lebendig erhalten, erhöhen sie die Resilienz der Gesellschaft gegen antidemokratische und totalitäre Tendenzen.“
Die neue Gedenkstättenkonzeption formuliert neue Schwerpunkte für die Förderung der Gedenkstätten durch den Bund, die in aller Regel von den Ländern getragen und mitfinanziert werden. Dazu gehören der dringender gewordene bauliche Erhalt der historischen Orte, die digitale Sicherung von Dokumenten und neue Formen der Geschichtsvermittlung, etwa auch durch Künstliche Intelligenz und Virtual Reality. Gerade die vielen Schülerinnen und Schüler müssten „ein gutes Angebot“ bekommen, sagte Weimer.
Geld benötigt für Erhalt und Barrierefreiheit
Wie hoch der finanzielle Bedarf für den Erhalt der authentischen Erinnerungsorte genau ist, sagt die Konzeption nicht. Es gebe noch keine umfassende Bestandsermittlung, sagte Neumärker. Die SED-Opferbeauftragte des Bundestags, Evelyn Zupke, ergänzte, es gehe neben dem baulichen Erhalt auch um die behindertengerechte Sanierung der Gedenkstätten. Der Investitionsbedarf dürfte also groß sein.
Dass angesichts der Haushaltslage auch bei den Gedenkstätten gespart wird, schließt Weimer aus. Von der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses für den Etat 2026 am Donnerstag erwartet er nach eigenen Worten, dass die Mittel für diesen Bereich wieder erhöht werden.
Kolonialismus weiter kein Thema der Gedenkstättenkonzeption
Die seit 1999 existierende Gedenkstättenkonzeption wurde zuletzt 2008 novelliert und sollte schon in der vergangenen Wahlperiode überarbeitet werden. Weimers Vorgängerin Claudia Roth (Grüne) machte damals den Vorstoß, auch die deutsche Kolonialgeschichte und Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik in die Konzeption einzubeziehen. Dies stieß auf so heftige Kritik, dass wegen langer Diskussion aus einer Novelle vor der Bundestagswahl nichts mehr wurde.
Die neue Konzeption beschränkt sich nun weiter auf die Förderung von Gedenkstätten, die an das Leid in den beiden deutschen Diktaturen erinnern. Die Kolonialismusgeschichte werde in eigenständiger Form vertieft, sagte Weimer. Dazu gehörten etwa der Aufbau einer institutionellen Struktur, die es für das Thema noch gar nicht gebe, die Einbeziehung der Wissenschaft sowie die Weiterarbeit im Bereich der Provenienzforschung und Rückgabe geraubter Kulturgüter.




