Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht Demokratie und Freiheit in Deutschland bedroht und ruft zur Gegenwehr. „Mit Extremisten darf es keine politische Zusammenarbeit geben“, mahnte er am Sonntag im Berliner Schloss Bellevue. Auch Parteiverbotsverfahren müssten diskutiert werden, sagte Steinmeier, ohne dabei die AfD explizit zu nennen. Zugleich forderte er die Bürgerinnen und Bürger auf, klar Position zu beziehen.
Steinmeier äußerte sich bei einer Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die verschiedenen historischen Ereignisse des 9. Novembers. Er berichtete von Gesprächen, in denen es um die Sorge gehe, dass extreme Parteien stärker werden und Menschen mit Einwanderungsgeschichte oder Jüdinnen und Juden in Deutschland nicht mehr sicher sind. Da stelle sich die Frage: „Ist das möglich, dass gerade wir nicht aus der Geschichte gelernt haben?“, sagte Steinmeier.
Forderung nach Distanz zur Sprache der Rechtsextremisten
107 Jahre nach der Ausrufung der Weimarer Republik 1918 stehe die liberale Demokratie so stark unter Druck wie nie seit der Wiedervereinigung, erklärte der Bundespräsident. Sie werde „aktuell bedroht durch rechtsextreme Kräfte“, die an Zustimmung in der Bevölkerung gewännen. Einfach abzuwarten, „dass der Sturm vorbeizieht“, sei jetzt keine Option, mahnte Steinmeier. „Wir müssen handeln.“
Eine politische Zusammenarbeit mit Extremisten in Regierungen oder Parlamenten dürfe es nicht geben. Die „Hauptlast“ dieser Verantwortung schrieb Steinmeier den Mitte-rechts-Parteien zu. Er nannte keine Parteien beim Namen, erwähnte aber den Begriff „Brandmauer“, der für die Abgrenzung der CDU/CSU von der AfD verwendet wird. Wichtig sei neben der formalen Abgrenzung auch, „Distanz zur Sprache, zu den Ressentiments, zu den Feindbildern der Rechtsextremen“ zu wahren.
Appell des Staatsoberhaupts: „Mischen Sie sich ein“
Die Diskussion über ein AfD-Verbotsverfahren griff der Bundespräsident ebenfalls auf. „Eine Partei, die den Weg in die aggressive Verfassungsfeindschaft beschreitet, muss immer mit der Möglichkeit eines Verbots rechnen“, sagte er. Ob die Voraussetzungen für ein solches Verbot gegeben seien, müsse geprüft und abgewogen werden.
„Aber, und darauf kommt's mir an: Auf keinen Fall, auf keinen Fall dürfen wir tatenlos sein, bis diese Fragen sämtlich geklärt sind“, appellierte Steinmeier. Die Selbstbehauptung der Demokratie sei „die Aufgabe unserer Zeit“, die nur gemeinsam bewältigt werden könne. „Mischen Sie sich ein“, forderte der Bundespräsident die Menschen im Land auf. „Was wir jetzt brauchen, sind aktive Demokratinnen und Demokraten, die den Mund aufmachen.“
Wunsch nach wirksamen Regeln für das Internet
Er kritisierte außerdem die Debattenkultur im Internet. „Die Lügen, die Demagogie, die Hetze, der Hohn und der Hass, die dort millionenfach und in Bruchteilen von Sekunden verbreitet werden, sie sind zu einer Gefahr für die Demokratie geworden“, sagte der Bundespräsident. Insbesondere Jugendliche müssten besser geschützt werden. Nötig seien wirksame Regeln, möglichst gepaart mit intelligenten Tools.
Steinmeier unterstrich seine Appelle mit einem düsteren Szenario: „Wir dürfen nicht gleichsam hineinrutschen erst in eine neue Faszination des Autoritären und dann in neue Unfreiheit, und hinterher sagen alle: 'Das haben wir nicht gewollt. Das haben wir nicht gewusst.'“




