Brüssel (epd). Nach einem Verhandlungsmarathon haben sich die EU-Umweltminister am Mittwoch auf ein Klimaziel für 2040 geeinigt. In den kommenden 15 Jahren sollen die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken. Allerdings muss die EU ihre Emissionen real nur um 85 Prozent senken - die restlichen fünf Prozent kann sie sich durch Ausgleichsprojekte im Ausland anrechnen lassen, wie Klimakommissar Wopke Hoekstra in Brüssel erklärte. Auch an anderen Stellen schwächten die Minister den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission deutlich ab.
Europa hat sich im EU-Klimagesetz verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Als erstes Etappenziel sollen die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent sinken. Mit dem nun beschlossenen Zwischenziel für 2040 legt die EU ihren Fahrplan für den weiteren Weg fest. Bis zuletzt war offen, ob eine qualifizierte Mehrheit zustande kommt. Mehrere Länder - darunter Polen und Italien - hatten auf eine Abschwächung der Vorgaben gedrängt. Aus Diplomatenkreisen hieß es, Deutschland habe sein Gewicht vor Beginn der Verhandlungen nicht eingebracht.
#Zentrale Änderungen
In begrenztem Umfang sollen künftig auch Klimaschutzprojekte in Drittstaaten auf das Klimaziel anrechenbar sein. Wie groß dieser Anteil sein darf, war einer der Hauptstreitpunkte. Die EU-Kommission hatte eine Obergrenze von drei Prozent internationaler Emissionszertifikate vorgeschlagen - unter anderem Deutschland unterstützte das. Frankreich forderte fünf, Polen sogar zehn Prozent. Letztlich setzten sich fünf Prozent durch.
Die Minister beschlossen zudem eine weitreichende Revisionsklausel, die den EU-Staaten mehr Flexibilität einräumen soll, falls sich die Klimapolitik negativ auf die Wirtschaft auswirken sollte. Außerdem einigten sie sich darauf, den Start des neuen Emissionshandelssystems ETS II für Gebäude und Verkehr um ein Jahr auf 2028 zu verschieben. Das System galt bislang als zentrales Instrument, um CO2 teurer zu machen und den Markt zu klimafreundlicheren Lösungen zu bewegen.
Nicht zuletzt legten die Minister auch den für die Weltklimakonferenz (COP30) in Brasilien entscheidenden europäischen Klimaschutzbeitrag (NDC) für 2035 fest. Das Reduktionsziel bleibt allerdings ein Korridor zwischen 66,25 und 72,5 Prozent gegenüber 1990 - eine konkrete Zahl konnten die Minister nicht vereinbaren.
#Kompromiss mit bitterem Beigeschmack
Mit dem Kompromiss verhindert die EU, mit leeren Händen zur Weltklimakonferenz COP30 zu reisen, die am 10. November in Belém beginnt. Die Reaktionen auf das Ergebnis fielen jedoch gemischt aus.
Umweltminister Carsten Schneider (SPD) begrüßte die Einigung nach den langen Verhandlungen. Deutschland habe bereits ein verbindliches Klimaziel für 2040. Jetzt sei es gemeinsam gelungen, das auch für die EU zu erreichen. „Das ist ein wichtiger Fortschritt für das Klima und eine gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft“, betonte er.
„Dieses Ergebnis ist ein großer Erfolg - auch wenn es einen bitteren Beigeschmack hat“, erklärte Linda Kalcher, Geschäftsführerin der Denkfabrik Strategic Perspectives. Die Minister hätten einen klaren Pfad bis 2040 festgelegt und gezeigt, dass die EU ihren Kurs der Dekarbonisierung trotz politischer Spannungen beibehalte.
„Details geben Anlass zur Sorge“
Frauke Thies, Co-Direktorin Europa bei Agora Energiewende, erklärte: „Das 90-Prozent-Ziel zeigt, dass die Richtung stimmt. Doch die Details geben Anlass zur Sorge. Die stärkere Nutzung internationaler Zertifikate wird erhebliche Mittel aus der EU abfließen lassen.“ Entscheidend werde nun sein, dass diese Zertifikate strengen Qualitätsstandards genügen.
Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss warnte, die Auslagerung des Klimaschutzes könne für die EU teuer werden: „Milliarden-Finanzierungen außerhalb der EU werden uns für Investitionen in Industrie und Arbeitsplätze fehlen.“ Dass sich mit dem Kompromiss auch die deutsche Bundesregierung vom Marktmechanismus des Emissionshandels verabschiede, nannte Bloss „fahrlässig“.
Im Hinblick auf den Klimaschutzbeitrag (NDC) kritisierte Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland: „Es ist ernüchternd, dass sich die Minister nicht auf das obere Ende des Korridors als Beitrag einigen konnten.“
Ungarn, die Slowakei und Polen haben das Klimaziel 2040 nicht unterstützt. Bulgarien und Belgien enthielten sich. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments müssen sich nun ebenfalls auf einen Gesetzestext zum Klimaziel für 2040 einigen und mit dem Rat der EU verhandeln, bevor das Ziel Gesetzeskraft erlangt.



