Berlin, Karlsruhe (epd). Im jahrelangen Rechtsstreit zwischen der evangelischen Diakonie und einer abgelehnten Stellenbewerberin hat das Bundesverfassungsgericht die Position kirchlicher Arbeitgeber gestärkt. Der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung zufolge steht übergangenen konfessionslosen Bewerbern nicht ohne Weiteres eine Entschädigung wegen Diskriminierung zu. (AZ: 2 BvR 934/19) Vertreter von evangelischer wie katholischer Kirche reagierten zufrieden.
Ausgangspunkt der Entscheidung ist der sogenannte Fall Egenberger. 2012 hatte sich die Sozialpädagogin Vera Egenberger erfolglos als Referentin beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Es ging um eine Stelle, die sich mit der UN-Antirassismuskonvention befassen sollte. In der Ausschreibung wurde eine Kirchenmitgliedschaft verlangt. Die konfessionslose Egenberger klagte schließlich wegen religiöser Diskriminierung.
Der Fall beschäftigte in den folgenden Jahren nach den unteren Instanzen auch das Bundesarbeitsgericht, das die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte. Nachdem der EuGH 2018 entschied, dass sich die Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr religiöses Selbstbestimmungsrecht berufen können, sprach das Bundesarbeitsgericht Egenberger wegen Diskriminierung eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zu. Die Diakonie legte dagegen Verfassungsbeschwerde ein und hatte nun Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil auf und verwies den Fall an das Bundesarbeitsgericht zurück. Dieses habe die Belange des religiösen Arbeitgebers nicht ausreichend berücksichtigt und damit dessen im Grundgesetz verankertes Selbstbestimmungsrecht verletzt. Grundsätzlich können Gerichte der Karlsruher Entscheidung zufolge prüfen, inwieweit eine konkrete Tätigkeit bei einem kirchlichen Arbeitgeber „für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses geeignet, erforderlich und angemessen“ ist. Davon hänge ab, inwieweit eine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden könne.
Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt begrüßte die Entscheidung: „Das höchste deutsche Gericht hat für Klarheit gesorgt“. Der Vizepräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland, Stephan Schaede, erklärte, das Verfassungsgericht „hat unseren Spielraum bestätigt - damit gehen wir sehr verantwortungsvoll um“.
Die Entscheidung bringe Rechtssicherheit, teilte auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz mit. Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche haben inzwischen andere Richtlinien zum Umgang mit der Konfession von Mitarbeitenden als im Jahr 2012.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Thomas Rachel (CDU), sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND), das Bundesverfassungsgericht habe die Rechte der Kirchen in arbeitsrechtlichen Fragen gestärkt. Es entspreche damit „der besonderen Rolle der Kirchen in unserem Verfassungsstaat“.
Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, wies darauf hin, dass es weiterhin gut begründet werden müsse, wenn Kirchen von Mitarbeitenden eine Kirchenmitgliedschaft verlangen. Dies betonte auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Das Verfassungsgericht habe bestätigt, dass „Kirche nicht einfach deshalb diskriminieren darf, weil sie Kirche ist“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Vielmehr müssten kirchliche Arbeitgeber den Gerichten konkret darlegen, warum bestimmte Tätigkeiten eine Kirchenmitgliedschaft erforderlich machen.



