Kritik an Bürgergeld-Reform: "Populistisches Ablenkungsmanöver"

Kritik an Bürgergeld-Reform: "Populistisches Ablenkungsmanöver"
Das Bürgergeld heißt künftig Grundsicherung und hat strengere Regeln. DIW-Chef Fratzscher bezweifelt, dass die Reform mehr Menschen in Arbeit bringen wird - und ein Sozialverband warnt vor einer Verschärfung der Wohnungsnot für Leistungsempfänger.

Berlin (epd). Die geplante Reform des Bürgergeldes stößt weiter auf Kritik. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, nannte das Vorhaben am Wochenende „ein populistisches Ablenkungsmanöver“. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Werneke, äußerte die Erwartung, dass die Änderungen „mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen“. Der Sozialverband Deutschland warnte vor einer verschärften Wohnungsnot der Leistungsempfänger.

Das Bundesarbeitsministerium hatte am Freitag Details zur Reform ausformuliert. Geplant sind demnach deutlich strengere Regeln für Menschen, die die Sozialleistung bekommen. Unter anderem soll es künftig möglich sein, alle Leistungen inklusive der Mietzahlungen zu streichen, wenn Meldetermine wiederholt nicht wahrgenommen werden. Zudem heißt das Bürgergeld künftig Grundsicherung.

DIW-Chef Fratzscher bezweifelte, dass die Reform ihr Ziel erreichen werde, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Es gebe nur sehr wenige Bürgergeld-Beziehende, die das System missbrauchten, sagte der Wirtschaftsforscher der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). „Die meisten Bürgergeld-Empfänger haben jedoch keine Qualifikationen oder gesundheitliche Probleme“, erläuterte er. Dann jedoch helfe „auch die strengste Sanktion nicht dabei, sie in Arbeit zu bringen“. Es gehe der Bundesregierung darum, „vermeintlich Faule“ zu bestrafen, „damit der Rest der Bevölkerung sich besser fühlt“.

Gewerkschaftschef Werneke warnte in den Zeitungen des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (Samstag) davor, unverschuldet in Not geratene Menschen zu stigmatisieren. Das Reformvorhaben werde zulasten von Betroffenen, Beschäftigten in Jobcentern und Gerichten gehen, kritisierte Werneke. In den Jobcentern würden „künftig noch mehr Konflikte ausgetragen“ und die Gerichte „viele Verschärfungen wieder kassieren“.

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, kritisierte insbesondere, dass es künftig möglich sein soll, die Mietzahlungen für Menschen im Sozialleistungsbezug komplett zu streichen. Dies sei angesichts des Fehlens von ausreichend bezahlbaren Wohnraum verantwortungslos, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

Es treffe nicht nur diejenigen, die mit dieser Maßnahme gerügt werden sollten, mahnte Engelmeier. Menschen im Leistungsbezug dürften es grundsätzlich noch schwerer haben, eine Wohnung zu finden. „Denn auch die Vermieter wissen nun: Bürgergeld-Beziehenden eine Wohnung zu überlassen, birgt die Gefahr, dass das Amt die Miete womöglich nicht mehr bezahlt.“

Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) betonte noch einmal, dass auch neu ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine wie im Koaltionsvertrag vereinbart kein Bürgergeld mehr bekommen sollen. „Wir wollen das, soweit es auch praktisch umsetzbar ist, auch rückwirkend zum 1. April noch machen“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“.

„Bürgermeister und Landräte sagen, die Zahl der neu ankommenden ukrainischen Flüchtlinge steige gerade in diesen Tagen. Das zeigt mir, es macht Sinn, dass wir dieses Gesetz schnell beschließen“, erklärte Spahn. Flüchtlinge aus der Ukraine sollen dann Leistungen nach dem Asylbwerberleistungsgesetz erhalten.