Hannover (epd). Der Soziologe und Demokratieexperte Steffen Mau sieht in der deutschen Gesellschaft noch immer eine starke Mitte, die sich in vielen politischen Fragen einig ist. Diese moderate Mitte sei allerdings angesichts der extremen Positionen an den Rändern in der Kommunikation häufig unsichtbar, sagte der neue Leiter des Max-Planck-Instituts für multireligiöse und multiethnische Gesellschaften in Göttingen der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Samstag). „Wie sprechen von der stillen Mitte.“ Deutschland sei keine fundamental gespaltene Gesellschaft.
In den vergangenen Jahren sei diese Mitte allerdings bereits kleiner geworden und sie drohe weiter zu schrumpfen, warnte Mau. Gründe seien unter anderem das Wirken der AfD, die sozialen Medien und die Schwäche der übrigen Parteien. „Langfristig könnten wir schon zu einer polarisierten Gesellschaft werden.“ Im Osten sei das an vielen Regionen schon eingetreten. „Da hat sich diese politische Mitte ein Stück weit pulverisiert.“
Mau empfiehlt den etablierten Parteien, politische Entscheidung wie über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Sie müssten den Menschen Gründe und Argumente an die Hand geben, damit diese ihre politischen Entscheidungen nachvollziehen und mittragen könnten. „Wenn das nicht gelingt, dann werden die Menschen aus unterschiedlichsten Gründen eine Art innere Kündigung vollziehen.“
Zudem sollten die Parteien ein Stück ihrer Macht teilen und für bestimmte Entscheidungen Bürgerräten übertragen, forderte Mau. Dort könne sich die stille Mitte stärker positionieren, weil es häufig um Sachfragen wie den Bau einer Umgehungsstraße oder einer Kita gehe.