Berlin (epd). Erst wurde eine Einigung verkündet, dann die Präsentation derselben überraschend abgesagt: Union und SPD ringen weiter um eine Verständigung über das geplante Wehrdienst-Gesetz. Am Dienstagnachmittag wollten Vize-Chefs der Bundestagsfraktionen und die zuständigen Fachpolitiker vor Journalisten in Berlin erläutern, welche Änderungen es an dem Gesetzesvorhaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) noch geben soll. Die Pressekonferenz wurde jedoch kurzfristig abgesagt, weil es offenbar weiter Streitpunkte gibt.
In der koalitionsinternen Debatte geht es um die Frage, ob der geplante neue Wehrdienst ausschließlich auf die freiwillige Rekrutierung von Soldatinnen und Soldaten setzen soll, wie es Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgeschlagen hatte, oder ob bereits Pflichtelemente im Gesetz enthalten sein sollen. In der Union gibt es Zweifel, dass auf rein freiwilliger Basis genügend Personal für die Bundeswehr rekrutiert werden kann.
Der im August vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Entwurf von Pistorius sieht vor, dass 18-jährige Männer ab 2026 einen Fragebogen ausfüllen müssen, in dem sie angeben sollen, ob sie zum Dienst in der Bundeswehr bereit sind. Frauen sollen auch angeschrieben werden, müssen aber nicht antworten. Eingezogen werden soll ausschließlich auf freiwilliger Basis. Für den Fall, dass das nicht genügend Rekruten bringt, sieht der Entwurf eine erneute Entscheidung des Bundestags über eine mögliche Pflicht vor.
Vertreter der Fraktionen hatten in den vergangenen Tagen intensiv über die Pläne verhandelt. Im Raum stand, konkrete Zielvorgaben zu formulieren. Auch über ein Losverfahren wurde gesprochen, das angewendet werden sollte, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden.
Am Dienstag sah es zunächst nach einer Verständigung zwischen Union und SPD aus. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Matthias Miersch, sagte, es gebe „Eckpunkte“. Der Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) sprach von einer „Lösung“. Beide äußerten sich vor den Sitzungen ihrer Fraktionen, in denen die Ergebnisse der Verständigung erläutert werden sollten. Nach den Fraktionssitzungen sollte die Pressekonferenz stattfinden, die jedoch überraschend abgesagt wurde.
Am Donnerstag soll eigentlich die erste Beratung des Entwurfs im Bundestag erfolgen. Sie wurde in der vergangenen Woche bereits wegen des koalitionsinternen Streits von der Tagesordnung genommen und auf diese Woche gelegt. Ob sie erneut verschoben wird, ist offen.
Im Jahr 2011 wurde in Deutschland die Wehrpflicht ausgesetzt. Sie in der alten Form zu reaktivieren, würde einen umfassenden Aufbau der Kapazitäten für Musterung und Ausbildung voraussetzen. Auch die alte Wehrpflicht würde nur für Männer gelten. Um eine Verpflichtung auf Frauen auszuweiten, müsste das Grundgesetz geändert werden. Eine Wehrpflicht nur Teilen eines Jahresgangs aufzuerlegen, wird wegen des Grundsatzes der Wehrgerechtigkeit kritisch diskutiert.