Antidiskriminierungsstelle fordert besseren Schutz für Juden

Antidiskriminierungsstelle fordert besseren Schutz für Juden
Wenig ist bislang bekannt über die konkreten Auswirkungen des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 auf den jüdischen Alltag in Deutschland. Jetzt liegen erste Ergebnisse einer Langzeitstudie vor.

Berlin (epd). Ignoranz, Empathieverweigerung, Schweigen, Schuldzuweisungen oder gar aggressive Konfrontationen: Dies sind einige der Reaktionen, die Jüdinnen und Juden in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023, dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, erleben. Gesammelt sind sie in einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie der Fachhochschule Potsdam und des Berliner Kompetenzzentrums für antisemitismuskritische Bildung und Forschung.

Demnach fühlen sich Juden in Deutschland seit dem Hamas-Überfall auf Israel vor knapp zwei Jahren zunehmend ausgegrenzt. So erlebten sie auch am Arbeitsplatz und in Arztpraxen vermehrt Anfeindungen und Diskriminierung. Betroffene berichten von Depressionen, Schlafstörungen und Panikattacken. Die Folge sei, dass sich viele aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzögen.

Für den Zwischenbericht wurden mehr als 110 Jüdinnen und Juden im Alter zwischen 16 und 80 Jahren über ein Jahr hinweg im Rahmen von Interviews und Gruppendiskussionen begleitet. Zudem fußt die Studie auf „Selbstbeobachtungen“ der Studienteilnehmer, die diese notierten. Die Endergebnisse sollen 2026 veröffentlicht werden.

Die „Studie zu den Auswirkungen des terroristischen Anschlags am 7. Oktober 2023 auf jüdische und israelische Communities in Deutschland“ wurde von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gefördert. Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, erklärte, die Untersuchung zeige, wie sehr Antisemitismus das Leben von Jüdinnen und Juden im Alltag präge: „Sie werden beleidigt, bedroht, diskriminiert und leben im Zustand erhöhter Wachsamkeit.“ Eltern fürchteten Übergriffe auf ihre Kinder. Studierende berichteten von einer bedrohlichen Stimmung an Universitäten.

Ataman fordert für einen besseren Schutz eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Bislang schütze dieses nicht vor Benachteiligungen „auf Grund einer Staatsangehörigkeit“, wie sie vermehrt Israelis erlebten. Deshalb sollte im AGG die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ durch „aufgrund von rassistischer und antisemitischer Zuschreibung“ ersetzt werden.

Weiter sprach sich Ataman für einen besseren Schutz vor Bedrohungen und Beleidigungen von Juden in Schulen und Hochschulen aus. Nur in Berlin gebe es bislang ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz mit klaren Vorgaben für die Bildungseinrichtungen. Nötig seien auch mehr Beratungsangebote.

Das fordern auch die Autorinnen der Studie. Marina Chernivsky, Psychologin und Leiterin des Berliner Kompetenzzentrums für antisemitismuskritische Bildung und Forschung, betonte, „die genozidale Botschaft“ des 7. Oktober 2023 habe in der jüdischen Diaspora zu einer „Überwältigungserfahrung“ und in Einzelfällen zu Retraumatisierungen geführt.

Friederike Lorenz-Sinai von der FH Potsdam sagte, die Befunde zeigten, dass jüdische und israelische Communities zunehmend an gleichberechtigter Teilhabe gehindert würden. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisierte, dass in Deutschland lebende Juden in „Gesamtverantwortung“ für Handlungen der israelischen Regierung genommen würden.