Salvador da Bahia, Sao Paulo (epd). Zehntausende Menschen haben am Sonntag (Ortszeit) in Brasilien gegen Gesetzesentwürfe protestiert, die Strafverfahren gegen Politiker erschweren und eine Amnestie für Straftäter ermöglichen würden. Wie die Nachrichtenagentur Agencia Brasil berichtete, gingen in allen Großstädten des Landes Menschen auf die Straße. Von den Vorhaben könnte vor allem der wegen Putschversuchs zu einer Haftstrafe von mehr als 27 Jahren verurteilte, ultrarechte Ex-Präsident Jair Bolsonaro profitieren, ebenso wie die Unterstützer des versuchten Umsturzes.
Zu den Demonstrationen aufgerufen hatten laut Agencia Brasil, linksgerichtete Parteien, die Landlosenbewegung MST und Organisationen der Zivilgesellschaft. Allein in Sao Paulo demonstrierten Medienberichten zufolge 40.000 Menschen.
Das Amnestiegesetz soll für Teilnehmerinnen und Teilnehmer politischer Demonstrationen zwischen dem 30. Oktober 2022 und dem Datum der Verabschiedung des Gesetzes gelten - und damit für die an dem Putschversuch am 8. Januar 2023 beteiligten Bolsonaro-Anhänger. Die von rechten Parteien dominierte Abgeordnetenkammer hat entschieden, das Vorhaben im Eilverfahren zu behandeln.
Ein weiterer Gesetzesentwurf soll Politiker vor Strafverfolgung schützen. Er sieht vor, dass gegen Abgeordnete auf Bundes- und Länderebene sowie gegen Parteivorsitzende nur dann Strafverfahren vor dem Obersten Bundesgericht eröffnet werden können, wenn der Kongress der Verfahrenseröffnung zuvor in geheimer Abstimmung und mit absoluter Mehrheit zustimmt. Dieses Vorhaben wurde bereits von der Abgeordnetenkammer entschieden und soll am Mittwoch dem Senat vorgelegt werden.
Befürworter sehen darin eine Maßnahme gegen den angeblichen Machtmissbrauch des Obersten Bundesgerichts - und folgen damit der Argumentation von Bolsonaro-Anhängern, die den Prozess gegen den Ex-Präsidenten als „Hexenjagd“ bezeichnen. Kritiker hingegen befürchten Rückschritte. Justizminister Ricardo Lewandowsky erklärte, mit dem Gesetz könne das organisierte Verbrechen in den Kongress einziehen. Der Senatsvorsitzende Otto Alencar sagte bereits, er wolle dafür sorgen, dass das Gesetz „zu Grabe getragen“ werde.
Vor rund eineinhalb Wochen wurde Bolsonaro vom Obersten Gerichtshof wegen versuchten Putsches gegen seinen Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva nach der Präsidentschaftswahl 2022 für schuldig gesprochen. Das Strafmaß beträgt 27 Jahre und drei Monate. Bolsonaros Anwälte kündigten an, in Berufung gehen zu wollen.