Scharfe Kritik an Ausladung der Münchner Philharmoniker

Scharfe Kritik an Ausladung der Münchner Philharmoniker
Minister werfen belgischen Festival-Machern "Antisemitismus" vor
Die Münchner Philharmoniker wurden vom Musikfestival im belgischen Gent ausgeladen - wegen ihres israelischen Dirigenten Lahav Shani. Aus der deutschen Politik kommt scharfe Kritik.

München (epd). Die Ausladung der Münchner Philharmoniker vom Flanders Festival im belgischen Gent stößt in der deutschen Politik auf scharfe Kritik. Dies sei „eine Schande für Europa“, sagte Bundeskulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) am Donnerstag. Unter dem „Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik“ werde hier „Kultur-Boykott“ betrieben: „Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur.“ Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) sprach von „schrecklichen antisemitischen Misstönen“, die das Festival damit in die Welt sende.

Die Landeshauptstadt München und die Münchner Philharmoniker hatten am Mittwochabend mitgeteilt, dass das Orchester vom für den 18. September geplanten Konzert ausgeladen wurde. Dies sei „auf Druck von Aktivistengruppen und der belgischen Politik“ geschehen. Begründet worden sei dies damit, dass der in Tel Aviv geborene Dirigent Lahav Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist.

„Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit von der Bühne zu verbannen, ist ein Angriff auf wesentliche europäische und demokratische Werte“, hieß es in der Mitteilung. Man lehne es ab, israelische Kunstschaffende „unter Generalverdacht zu stellen und kollektiv zu bestrafen“.

Das Flanders Festival Gent hingegen begründet die Absage nicht mit Shanis Herkunft, sondern erwartet von ihm eine politische Positionierung. In einer Stellungnahme auf der Website schreiben die Verantwortlichen, Shani habe sich früher zwar mehrfach für Frieden und Versöhnung ausgesprochen. Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent jedoch sei man nicht in der Lage, für „ausreichend Klarheit“ über seine Haltung gegenüber dem „genozidalen Regime“ in Israel zu sorgen.

Staatsminister Weimer sprach von einem „gefährlichen Präzedenzfall“: „Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten.“ Europäische Bühnen dürften „nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren“. Deutschland stehe „unmissverständlich“ an der Seite des Orchesters und Shanis, der 2026 dessen Chefdirigent werden soll. Bayerns Kunstminister Blume sagte, die Ausladung der Philharmoniker, „weil ein Israeli am Pult steht, ist nichts anderes als grober Antisemitismus“. Er sei „fassungslos, dass gerade ein Musikfestival die völkerverständigende Kraft der Musik für Hetze und Spaltung missbraucht“.

Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle teilte mit: „Es geht nicht an, dass Verantwortliche eines Festivals einen Musiker in Sippenhaft nehmen für die Handlungen, die Israels Regierung in Reaktion auf einen Terrorüberfall der Hamas derzeit vornimmt.“ Shani habe sich „nachdrücklich für Frieden ausgesprochen und damit deutlich vom Regierungshandeln Netanjahus distanziert“.

Der 36-jährige Shani leitet seit 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta das Israel Philharmonic Orchestra. Zudem ist er seit 2018 Chefdirigent des Rotterdam Philharmonic Orchestra, von wo er im September 2026 zu den Münchner Philharmonikern wechseln soll, was seit zwei Jahren feststeht. Dort wird er Nachfolger des Russen Walerij Gergijew: Diesem wurde 2022 gekündigt, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht genügend vom russischen Präsidenten Wladimir Putin - als dessen Freund er gilt - distanziert hatte.