Berlin (epd). Knapp zwei Wochen nach dem Angriff auf die „Ocean Viking“ durch die libysche Küstenwache strebt die Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée eine juristische Aufarbeitung an. Bei der italienischen Staatsanwaltschaft sei eine Strafanzeige wegen versuchten mehrfachen Mordes, versuchten Schiffbruchs und Sachbeschädigung an einem Schiff eingereicht worden, teilte SOS Méditerranée am Freitag in Berlin mit. Dies sei lediglich der erste Schritt einer „Reihe rechtlicher Maßnahmen“, um sowohl die Täter als auch die Verantwortlichen im Hintergrund zu Rechenschaft zu ziehen, hieß es weiter.
Die „Ocean Viking“ war den Seenotrettern zufolge am 24. August von der libyschen Küstenwache in internationalen Gewässern beschossen worden. Während des Angriffs waren außer der Crew 87 Flüchtlinge und Migranten an Bord, die aus Seenot gerettet worden waren. Laut SOS Méditerranée wurden nach der Attacke mehr als 100 Einschusslöcher gefunden, davon einige auf Kopfhöhe auf der Schiffsbrücke. Verletzt oder getötet wurde niemand. Das bei dem Angriff eingesetzte Corrubia-Patrouillenboot wurde nach Angaben von SOS Méditerranée im Jahr 2023 von Italien im Rahmen eines EU-finanzierten Programms an die Libyer übergeben.
„Dieser Angriff muss ein Weckruf sein“, sagte Bianca Benvenuti, Leiterin der internationalen Öffentlichkeitsarbeit von SOS Méditerranée. Helferinnen und Helfer sowie Überlebende dürften auf See nicht schutzlos bleiben, „während europäische Staaten weiterhin die Grenzkontrolle an eine libysche Behörde auslagern, die wiederholt ihre Missachtung des Völkerrechts bewiesen hat“.
Libyen ist ein wichtiges Transitland für Geflüchtete und Migranten auf dem Weg nach Europa. Die EU kooperiert zur Migrationsabwehr seit Jahren mit der Küstenwache des nordafrikanischen Landes. Ihr wurden wiederholt Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Syrakus hatte bereits Ende August, unabhängig von der Strafanzeige, eine Untersuchung eingeleitet. Die EU-Kommission nahm nach Angaben eines Sprechers zwecks Aufklärung Kontakt mit den libyschen Behörden auf.