Frankfurt a.M. (epd). Die Welthungerhilfe rechnet mit langfristigen dramatischen Folgen des jüngsten Erdbebens in Afghanistan. Das Ausmaß von Tod und Zerstörung werde sich erst in Tagen abzeichnen, sagte Asien-Regionaldirektorin Elke Gottschalk im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch es sei eine ähnliche Dimension wie bei den vorherigen Beben in der Region zu befürchten - dabei wurden 2022 mehr als 1.000, ein Jahr später mehr als 1.500 Tote gemeldet.
Die Erdstöße in der Nacht zum Montag hätten eine Gegend erschüttert, die ohnehin von Mangel und Not geprägt sei, sagte Gottschalk: „Es herrscht eine dramatische Armuts- und Hungersituation.“ Seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban vor vier Jahren habe sich die wirtschaftliche Lage permanent verschlechtert. Die Menschen litten zudem unter den Folgen von Dürren und Überschwemmungen aufgrund des Klimawandels, und nun seien auch noch die internationalen Hilfen massiv gekürzt worden. „Der von den UN koordinierte Humanitäre Reaktionsplan für Afghanistan ist in diesem Jahr nur zu 13 Prozent finanziert“, erklärte Gottschalk.
Zudem müsse die Region aktuell viele Afghaninnen und Afghanen auffangen, die aus Pakistan abgeschoben werden. Die Menschen, die zum Teil sogar im Nachbarland geboren wurden, hätten meist keine Anlaufstelle in Afghanistan und würden zunächst in Zeltlagern nahe der Grenze erstversorgt.
Immer wieder kommt es zu schweren Erdbeben in dieser Grenzregion zu Pakistan - mit katastrophalen Folgen. Die meisten Menschen dort lebten in traditionellen Lehmhäusern, die bei Erdstößen leicht zusammenfielen, sagte Gottschalk. Dass nicht erdbebensicher gebaut werde, sei auch der Armut geschuldet. „Die Bevölkerung hat überhaupt keine Möglichkeit, in eine bessere Bausubstanz zu investieren“, erklärte die Welthungerhilfe-Expertin.
Nach Einschätzung der Hilfsorganisation wird sich die Ernährungslage in Afghanistan noch mindestens bis Anfang kommenden Jahres weiter verschlechtern. Vor allem der Norden und Westen des Landes sei von Dürre besonders betroffen. Zuletzt habe es in der Erdbebenregion aber auch schwere Überschwemmungen gegeben, sagte Gottschalk: „Gerade am Wochenende gab es sehr starke Regenfälle, mit einer Sturzflut, bei der Menschen ums Leben kamen und Häuser zerstört wurden.“ Auch solche Entwicklungen machten die Region anfälliger für schwere Schäden bei den immer wieder zu erwartenden Erdbeben.