Düsseldorf (epd). In den USA gibt es nach Einschätzung des Schriftstellers Navid Kermani unter Präsident Donald Trump keine Ideale mehr, sondern „nur noch nackte Interessenpolitik“. Das sei in der Geschichte der Vereinigten Staaten beispiellos, sagte der in Köln lebende Publizist der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Online Montag, Print Dienstag). „Wir haben noch nicht verstanden, dass Amerika kein Verbündeter ist, der uns Schutz gewährt, sondern ein Rivale, bestenfalls ein Geschäftspartner.“ Dazu gehörten „diese Seltsamkeiten, dass unsere Regierungschefs diese Werte hochhalten und immer noch denken, als sei da noch irgendwer“.
„Amerika schaut auf Europa wie auf Afrika: als Markt, als Vasallen, als nützlichen Idioten“, sagte Kermani. „Und wir merken, wir sind erpressbar, denn ohne Amerika haben wir keine Sicherheit.“ Für Europa liege „die einzige Chance“ darin, in den kommenden 10 bis 15 Jahren wieder die Dynamik einer europäischen Einigung zu entwickeln und so mutig Europa zu bauen, wie dies nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall gewesen sei.
Die USA werden sich nach Einschätzung des Friedenspreisträgers des deutschen Buchhandels „egal unter welchem Präsidenten“ nicht mehr in der bisherigen Weise als Ordnungsmacht verstehen. „Gekippt“ sei die Entwicklung mit dem US-Abzug aus Afghanistan, sagte der Orientalist Kermani, der auch die iranische Staatsbürgerschaft hat: „Amerika übergab das Land den Taliban.“ Gerade sei überall zu sehen, dass sich die USA „aus dem Staub“ machten. „Der vollständige Stopp der Entwicklungshilfe von einem auf den anderen Tag gehört dazu.“