Oberursel (epd). Trotz Krieg und Not hat sich die ukrainische Gesellschaft laut dem Osteuropa-Hilfswerk Renovabis ihre Stärke erhalten. Auch in absoluter Notsituation sei die Ukraine „eine funktionierende, plurale Demokratie“ geblieben, sagte Renovabis-Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz der Zeitschrift „Publik-Forum“ (zweite August-Ausgabe). Schon vor dem russischen Angriff habe es viele Organisationen gegeben, die sich für Kultur, Soziales, Gendergerechtigkeit einsetzten. Der Krieg gehe an die Substanz, dennoch blieben viele aktiv: „Das sind unglaublich starke und engagierte Menschen.“
Als anhaltendes Problem sieht der Theologe den Umgang mit Korruption. Die Ukraine habe in den vergangenen Jahrzehnten zwar deutliche Fortschritte erzielt, aber wie andere ehemals kommunistische Länder noch immer mit den Folgen ihrer Transformation und den Privatisierungen zu kämpfen. Veränderungen seien schwierig. Die massive Kritik aus der Bevölkerung an einem geplanten Gesetz, das die Antikorruptionsbehörden geschwächt hätte, habe aber auch gezeigt, „wie intakt die Zivilgesellschaft dort noch ist, trotz des zermürbenden Krieges“, erklärte Schwartz.
Auch zeige es die Reife einer Gesellschaft, „wenn der Druck von unten tatsächlich oben ankommt“, sagte er. Die Menschen wollten nach Europa und es sei ihnen klar, „dass eine anständige Korruptionsbekämpfung dazugehört“.
Besorgt äußerte sich Schwartz über Ermüdungserscheinungen beim Engagement für die Ukraine in Deutschland. „Es wächst der - falsche - Eindruck, dass alle irgendwie gleichermaßen schuld seien an diesem Konflikt“, sagte der Pfarrer im Interview. Auch bei Renovabis gingen die Spenden für die Ukraine zurück. Das Hilfswerk wurde 1993 von der katholischen Kirche in Deutschland zur Unterstützung der Menschen in Mittel- und Osteuropa gegründet.