Bonn (epd). Eine Mehrheit der Menschen mit Behinderung hat laut einer Umfrage in den vergangenen Jahren Diskriminierung erlebt. Sechs von zehn Menschen mit Behinderung seien in den vergangenen fünf Jahren in unterschiedlichen Alltagssituationen diskriminiert worden, ergab die Umfrage der Aktion Mensch, die am Mittwoch in Bonn veröffentlicht wurde. Das sei meist im öffentlichen Raum (29 Prozent), am Arbeitsplatz (24 Prozent) oder im Gesundheitssystem (23 Prozent) der Fall gewesen. Für mehr als ein Viertel der Befragten sei Diskriminierung ständig ein Problem.
Konkret hätten die Befragten etwa von unfairer Behandlung und schlechteren Chancen berichtet, hieß es. Auch diskriminierende Sprache oder fehlende Barrierefreiheit wurden genannt. Jeder Zehnte habe zudem von negativen Erfahrungen im Internet berichtet, etwa in Form von beleidigenden oder herabwürdigenden Nachrichten.
Die Sprecherin der Aktion Mensch, Christina Marx, bezeichnete die Ergebnisse als „besorgniserregend“. Diskriminierung sei für viele Menschen mit Behinderung Teil des Alltags, „und das auf persönlicher wie auch auf struktureller Ebene“. Staat, Gesellschaft und auch jeder Einzelne müssten stärker für ein gleichberechtigtes und diskriminierungsfreies Miteinander eintreten, forderte sie.
Diskriminierung führt der Umfrage zufolge bei vielen Menschen zu Rückzug. Knapp die Hälfte der Befragten, die Diskriminierung erlebten, habe im Anschluss ähnliche Situationen vermieden. 27 Prozent der Befragten hätten zudem nur noch Orte besucht, an denen sie nicht diskriminiert wurden. Mehr als ein Drittel habe sich nach einer Diskriminierungserfahrung als „nicht gut genug“ empfunden. Je fast ein Viertel habe sich sozial zurückgezogen oder sich selbst die Schuld für die Diskriminierung gegeben.
41 Prozent der Befragten wissen der Umfrage zufolge nicht, wie sie sich gegen Diskriminierung wehren können. Auch aus Resignation, Unwissen über Ansprechstellen oder aus Angst, noch mehr Probleme zu bekommen, hätten viele Betroffene nichts unternommen. Bestehende unterstützende Maßnahmen seien nicht ausreichend bekannt, erklärte die Aktion Mensch.
Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung von 936 Menschen in Deutschland. Das Sozialforschungsinstitut Ipsos hat den Angaben zufolge vom 16. Juni bis zum 2. Juli bundesweit 636 Menschen mit Beeinträchtigung ab 16 Jahren online befragt. Sie gehörten zur sogenannten Teilhabe-Community, dem ersten Umfrage-Panel im deutschsprachigen Raum, ausschließlich aus Menschen mit Beeinträchtigung. Ergänzend sei eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe Deutschlands aus 300 Menschen befragt worden.