Gießen (epd). In Vergessenheit geratene Kulturpflanzen wie die Platterbse können aus Sicht der Agrarökonomin Irina Solovieva den Speisezettel bereichern. Doch es fehle einerseits bei den Landwirten an Wissen über geeignete Anbautechniken und Verarbeitungsmethoden, andererseits bei den Verbrauchern „das Bewusstsein für diese neuen Alternativen“, sagte Solovieva, die am Zentrum für Nachhaltige Ernährungssysteme der Justus-Liebig-Universität Gießen arbeitet, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das EU-Projekt BioValue erforscht, wie alte Kulturpflanzen die Landwirtschaft nachhaltiger und widerstandsfähiger gegen den Klimawandel machen und wie sie wieder an die Verbraucher gebracht werden können. Ein Forschungsteam der Universität Gießen hat gemeinsam mit Partnern aus ganz Europa das Beispiel Platterbse untersucht. Die Hülsenfrucht gehört zu den ältesten kultivierten Pflanzen. Solovieva zufolge wird sie allerdings heutzutage in Europa kaum noch angebaut, in Deutschland lediglich in einigen Bio-Betrieben. In Ländern wie Bangladesch, Indien und Äthiopien zähle sie hingegen zu den weitverbreiteten Kulturpflanzen.
Vorteile der Platterbse: Sie erhöhe den Nährwert von Gerichten und liefere bioaktive Verbindungen und präbiotische Fasern, welche die Darmgesundheit fördern, erläuterte die Wissenschaftlerin. Die Hülsenfrucht sei zudem glutenfrei und biete im Vergleich zu herkömmlichen glutenfreien Mehlen „eine reichhaltige Quelle für Proteine, Mineralien und Antioxidantien“. Beim Anbau erweise sie sich als resistent gegen Trockenheit, vertrage hohe Niederschläge und binde Stickstoff, wodurch der Bedarf an Düngemitteln sinke.
Roh sollten die Samen der Platterbse allerdings nicht gegessen werden: Platterbsen enthalten ein Neurotoxin, das bei übermäßigem Verzehr Nervenschäden verursachen kann. Nach derzeitigen Erkenntnissen seien Platterbsen als Teil einer ausgewogenen Ernährung unbedenklich, erklärte Solovieva. Die Samen könnten außerdem durch Verarbeitungsmethoden wie Einweichen, Kochen, Rösten, Fermentieren und Frittieren in Öl teilweise entgiftet werden.
„Wirksame Kommunikationsstrategien sind der Schlüssel, um das Interesse der Verbraucher zu wecken“, sagte die Wissenschaftlerin. Verbraucher könnten vor allem über digitale Plattformen über Nährwert und Nachhaltigkeit der Anbaumethoden und der Verarbeitung informiert werden. Die Forschenden haben auch einige innovative Rezepte entwickelt, die sie auf der Webseite des BioValue-Projekts vorstellen.