Entwicklungspsychologin: In der Schule mehr über Gefühle sprechen

Entwicklungspsychologin: In der Schule mehr über Gefühle sprechen
28.07.2025
epd
epd-Gespräch: Karen Miether

Lüneburg (epd). Nach Ansicht der Lüneburger Entwicklungspsychologin Maria von Salisch wird in der Schule noch zu wenig über Gefühle gesprochen. Insbesondere für jüngere Kinder sei es aber wichtig, sich auszutauschen und ein gemeinsames Emotionsverständnis innerhalb der Schulklassen zu entwickeln, sagte die Professorin an der Leuphana Universität dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Schule ist eine sehr soziale Veranstaltung, deshalb ist Kommunikation von größter Bedeutung.“

Kinder interessierten sich sehr für Emotionen, betonte Salisch. Schließlich erlebten sie jeden Tag neue, für sie zunächst rätselhafte Situationen. Sie müssten zum Beispiel einordnen, ob andere wirklich freundlich seien oder dies nur vorspielten. Dies zu beschreiben oder mit anderen zu besprechen, fordere Kinder heraus, grammatikalisch komplexere Sätze zu nutzen.

Das sprachliche und das emotionale Lernen sind laut von Salisch eng miteinander verknüpft. Zum Beispiel: Komplexe Zusammenhänge wie Situationen, die Frust oder Wut auslösten, angespannte Gesichtsausdrücke und Begleiterscheinungen wie ein rotes Gesicht ließen sich durch den Begriff „Ärger“ zusammenfassend ausdrücken. „Sprache ist der Anker, der diese Vielfalt bündelt“, sagte Salisch.

Die Entwicklungspsychologin hat gemeinsam mit anderen einen Test und Fortbildungen zum Emotionswissen von Kindern im Alter von drei bis neun Jahren entwickelt. Ein gut ausgebildetes Emotionswissen führt nach ihren Forschungen zu größeren sozialen Kompetenzen, höherer Akzeptanz unter Gleichaltrigen, besseren schulischen Leistungen und einer positiveren Einstellung zur Schule.

„In Schulklassen ist es wichtig, dass alle ein möglichst gemeinsames Emotionsverständnis haben, um Missverständnisse zu vermeiden“, sagte sie. „Deshalb ist der Aufbau eines Wortschatzes so wichtig. Wenn Gefühle verbalisiert werden, sind diese auch leichter aushandelbar.“

Für Kinder sei das alles spannend, weil so viel im Miteinander passiere, erläuterte Salisch. „Das ist manchmal viel wichtiger als der Unterricht.“ Darum sollten die Gefühle angesprochen werden, etwa in Übungen wie einem „Wetterbericht der Gefühle“. „Fühle ich mich heute wie Gewitter oder sanfter Landregen?“ Es ließen sich viele Projekte entwickeln, nicht nur im Deutschunterricht, sondern auch in den Bereichen Kunst, Theater oder Rollenspiel. Auch die Eltern könnten einbezogen werden: „Elternhäuser unterscheiden sich enorm darin, ob Gefühle Gesprächsgegenstand sein dürfen oder nicht.“