Berlin (epd). Nach der vorerst gescheiterten Wahl der Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht hat der Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion im Bundestag, Hubertus Heil, den Kirchen ein Gespräch angeboten. Er wolle diesen Dialog ausdrücklich anbieten, „auf Augenhöhe, mit gegenseitigem Respekt und im Bewusstsein der jeweiligen Verantwortung“, sagte Heil dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aus der katholischen Kirche war vor der geplanten Wahl deutliche Kritik an Brosius-Gersdorf laut geworden, die sich in der Vergangenheit für eine Reform des Abtreibungsrechts ausgesprochen hatte.
Heil sagte, er verteidige grundsätzlich das Recht der Kirchen, sich zu politischen Fragen zu äußern. Mit Blick auf Äußerungen aus den Reihen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz wolle er aber auch betonen, dass die Juraprofessorin in ihren Arbeiten eine Position vertrete, „die das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und den Grundrechten der schwangeren Frau klar benennt und verfassungsdogmatisch reflektiert“. „Dies mag von einigen auf der kirchlichen Seite als kritisch empfunden werden, ist aber im Rahmen einer pluralistischen und säkularen Rechtsordnung legitim und notwendig“, sagte Heil.
Die für vergangenen Freitag geplante Wahl für insgesamt drei Posten am Bundesverfassungsgericht war im Bundestag abgesetzt worden, nachdem die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für die von der SPD vorgeschlagene Brosius-Gersdorf wegen Kritik aus den Unionsparteien fraglich war. Harsche Kritik an der Personalie kam von Abtreibungsgegnern und der AfD. Auch die katholische Kirche meldete sich zu Wort. Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, sagte vor der Wahl der „Bild“-Zeitung, die Haltung von Brosius-Gersdorf zur Abtreibung berge „die Gefahr einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft“.
Brosius-Gersdorf hatte in der vergangenen Wahlperiode der Kommission angehört, die im Auftrag der damaligen Regierung prüfen sollte, ob Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts geregelt werden sollten. Die neunköpfige Arbeitsgruppe kam einstimmig zu dem Ergebnis, Abbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft zu entkriminalisieren.
Die Einmischung der katholischen Kirche in die Richterinnenwahl sorgte auch für Kritik bei SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. Er sei „sehr empört, wie sich prominente Bischöfe und Kardinäle in diese Sache eingeschaltet haben“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). Kirche könne durchaus politisch sein. „Sich aber an dieser Hetze zu beteiligen, ist unchristlich“, sagte er mit Blick auf die Attacken auf Brosius-Gersdorf insbesondere auf Social-Media-Plattformen.