Deutschland muss Afghanen Visum erteilen

Deutschland muss Afghanen Visum erteilen
Pro Asyl warnt vor Rechtsbruch nach Aufnahmezusagen
Einst wollte die Ampel-Regierung gefährdete Afghanen und deren Familien nach Deutschland holen. Doch das Aufnahmeprogramm stockt, spätestens mit Amtsantritt der neuen Bundesregierung. Nun hat eine Afghanin Visa für sich und ihre Familie erstritten.

Berlin (epd). Einer Afghanin und deren Familienangehörigen mit Aufnahmezusage stehen nach einer Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts Visa für Deutschland zu. Die Bundesrepublik müsse den Betroffenen, denen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan Aufnahmezusagen gegeben worden waren, Visa zur Einreise erteilen, entschied das Gericht in einem Eilverfahren. (AZ: VG 8 L 290/25 V)

Die afghanische Familie hält sich derzeit in Pakistan auf. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte den Antragstellern im Oktober 2023 Aufnahmezusagen gegeben. Daraufhin beantragten sie bei der deutschen Botschaft in Islamabad Visa. Diese wurden ihnen aber trotz des im Oktober 2022 gestarteten Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan nicht erteilt.

Mit einem Eilantrag machten die Antragsteller Mitte Mai geltend, sie hätten einen Anspruch auf Visumserteilung und könnten nicht länger in Pakistan bleiben. Ihnen drohe dort die Abschiebung nach Afghanistan, wo sie um Leib und Leben fürchten müssten. Das Verwaltungsgericht gab diesem Eilantrag statt. Die Bundesrepublik müsse Visa erteilen.

Zwar könne die Bundesrepublik bestimmen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sie das Aufnahmeprogramm für afghanische Staatsangehörige beenden oder fortführen wolle. Sie könne währenddessen auch von der Erteilung neuer Aufnahmezusagen absehen. Sie habe sich jedoch durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmezusagen rechtlich gebunden. Gegen den Beschluss des Berliner Gerichts kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Im Jahre 2022 hatte die Ampel-Regierung ein Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghaninnen und Afghanen aufgelegt, über das bis zu 1.000 Menschen im Monat nach Deutschland kommen sollten. Die tatsächlichen Einreisen blieben weit darunter: Bis Ende April sind nach Angaben des Auswärtigen Amts insgesamt rund 1.400 Menschen über das Programm eingereist, zuletzt vorwiegend Frauen und Kinder. Die Verfahren werden mangels diplomatischer Vertretung in Pakistan abgewickelt.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl legte am Dienstag ein Rechtsgutachten zu den Aufnahmen vor. Demnach mache sich die Bundesregierung strafbar, wenn sie gefährdete Afghanen mit Aufnahmezusage im Stich lasse und diese von Pakistan aus nach Afghanistan abgeschoben werden. Den Betroffenen drohten in Afghanistan schwerste Menschenrechtsverletzungen, von Folter und Misshandlungen bis hin zu sexualisierter Gewalt und Tötungen.

Pro Asyl hatte das Gutachten gemeinsam mit dem Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte in Auftrag gegeben. "Die Bundesregierung muss jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um gefährdete Afghaninnen und Afghanen aus Pakistan nach Deutschland zu retten”, sagt Wiebke Judith von Pro Asyl.

Auch die SPD-Außenpolitikerin Derya Türk-Nachbaur forderte in der „Rheinischen Post“ das Einhalen der Zusagen: „Wir in der SPD sind uns einig: Alle Aufnahmezusagen müssen eingehalten werden.“