Ludwigshafen (epd). Der Sozialrechtler Andreas Rein spricht sich für ein bundesweites Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Strafprozessen aus. Immer wieder würden diese dazu aufgefordert, vor Gericht Aussagen zu ihren Klienten zu machen, sagte der Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Anders als Ärzten, Journalisten, Rechtsanwälten oder Seelsorgern räume das Strafprozessrecht Sozialarbeitenden nicht das Recht ein, die Preisgabe von möglicherweise belastenden Informationen zu verweigern. Ausnahmen gälten nur für die Drogenberatung und in der Schwangerschaftskonfliktberatung.
Die aktuelle Gesetzeslage stelle die Berufsgruppe der Sozialarbeiter und -pädagogen bei Strafprozessen unter großen Druck, kritisierte der Jurist und frühere Rechtsanwalt Rein: Eine Aussage könne das Vertrauensverhältnis zu den Klienten zerstören, was für Sozialarbeiter ein „entsetzliches Dilemma“ darstelle. Zudem müssten sie bei Nichtaussage vor Gericht mit einem Ordnungsgeld oder sogar Beugehaft rechnen. Dies sei bereits in mehreren Fällen geschehen. Arbeitgeber könnten zudem Sozialarbeiter, die sich gegenüber Strafrichtern nicht kooperativ zeigten, mit Job-Kündigungen drohen.
Laut geltendem Recht sind Sozialarbeiter zwar zur Verschwiegenheit über Geheimnisse verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut werden. In Strafprozessen müssen sie allerdings über diese Vorgänge aussagen.
Das Thema Zeugnisverweigerungsrecht werde in der Sozialarbeit derzeit diskutiert mit dem Ziel, es in die Bundespolitik zu tragen, sagte Rein. Hintergrund ist der Fall von drei Sozialarbeitenden der Fanbetreuung des Karlsruher Fußballclubs KSC. Diese waren wegen versuchter Strafvereitelung zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Bei einem Spiel im November 2022 gegen den Hamburger FC St. Pauli waren elf Personen durch abgebrannte Pyrotechnik verletzt worden. Die Sozialarbeiter weigerten sich, wegen ihres besonderen Vertrauensverhältnisses zu den Karlsruher Fans Zeugenaussagen zu machen.