Medizinethiker: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Medizinethiker: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen
19.06.2025
epd
epd-Gespräch: Susanne Lohse

Freiburg (epd). In der politischen Debatte um Kinderrechte im Grundgesetz kommt nach Ansicht des Freiburger Medizinethikers Giovanni Maio der Blick auf das Kind zu kurz. Er spricht sich dafür aus, Kindheit als eine Lebensphase mit eigenem Wert, und nicht nur als Vorstufe des Erwachsenseins anzuerkennen. „Wir müssen die Bedeutung des Kindseins neu erkennen, weil wir nur dann uns selbst verstehen können“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Wert des Kindseins liege darin, dass das Kind einen eigenen, wertvollen Zugang zur Welt habe, wie Begeisterungsfähigkeit, Offenheit, Aufgeschlossenheit, Sorglosigkeit oder Eigensinn. Das Kind gehe nicht strategisch auf die Welt zu, sondern es erschließe sich die Welt auf spielerische Weise. Der Fehler, den Erwachsene machten, bestehe darin, das Kind zu früh auf zweckrationales, ergebnisorientiertes Denken zu lenken.

Erwachsene seien festgelegt und meinten schon zu wissen, was sie sehen werden, hätten ihre Pläne und stülpten sie der Welt über. Das Kind aber gehe absichtslos vor. Diese „kreative Offenheit“ der Welt gegenüber sollten Erwachsene unterstützen, anstatt Kinder frühzeitig zu „drillen“, sagte der Ethikexperte.

Der Umgang mit dem Kind sei entscheidend dafür, ob sich seine schlummernden Fähigkeiten entfalten könnten oder ob sie verkümmerten. Gerade die Offenheit des Kindes mache es gleichzeitig manipulierbar und verletzlich. Ohne Sicherheit gebende Bindungen, die einen Schutzraum bilden, könnten Kinder sich nicht entfalten und könnten schlimmstenfalls krank werden, appelliert der Arzt an die Verantwortung Erwachsener. „Kinder brauchen vor allem Liebe vonseiten der sie umgebenden Menschen“, sagte Maio.

Der Wissenschaftler hat seine Sicht in dem jüngst erschienenen Aufsatz „Eine kleine Philosophie des Kindes unter der Perspektive seiner Verletzlichkeit“ dargelegt, der in dem Sammelband „Der verletzliche Mensch“ (Herder Verlag, Freiburg) erschienen ist.