Erfurt (epd). Der vor knapp 30 Jahren entdeckte jüdische Schatz aus dem mittelalterlichen Erfurt ist um vier Stücke größer als bislang angenommen. Anfang des Jahres seien dem Thüringer Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege vier bislang unbekannte Gewandschließen zum Verkauf angeboten worden, erklärte der Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, Sven Ostritz, am Mittwoch in Erfurt. Mithilfe der Staatsanwaltschaft sei der Fund bei einem Mitarbeiter eines Bauunternehmens sichergestellt worden, der beim Fund des Schatzes im Jahr 1998 auf dem Grabungsfeld anwesend war.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Erfurt sind die Schmuckstücke während einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung in einem angrenzenden Bundesland sichergestellt worden. Es habe die Befürchtung eines Verkaufs ins Ausland bestanden. Die Eigentumsfrage an den Schmuckstücken ist laut Staatsanwaltschaft jedoch unzweifelhaft. Aufgrund des gesetzlich in Thüringen festgeschriebenen sogenannten Schatzregals gehen bis zum Zeitpunkt des Fundes verborgene Schätze mit ihrem Auffinden in das Eigentum des Freistaats über. Juristisch sei 1998 eine Unterschlagung begangen worden. Die Straftat sei jedoch seit 2003 strafrechtlich verjährt.
Schon unmittelbar nach der Entdeckung des Schatzes bestand laut Ostritz die Vermutung, dass einige Teile des Schatzes noch vor der Überstellung ins Landesamt für Archäologie entwendet wurden. Damals seien Mitarbeiter von Baufirmen allerdings ergebnislos befragt worden.
Bei dem Erfurter Schatz handele es sich um eines der bedeutendsten Zeugnisse des mittelalterlichen jüdischen Lebens in Deutschland, sagte Ostritz. Die vier bislang fehlenden Teile bestehen aus vergoldetem Silber. Der Materialwert sei gering, die kunsthistorische Bedeutung unbezahlbar.
Auch bei wissenschaftlichen Untersuchungen des Schatzes war den Angaben zufolge der Verdacht aufgekommen, der Schatz sei unvollständig. Die Schmuckstücke seien vermutlich paarweise an den Gewändern angeordnet gewesen. Bei den nun aufgetauchten Funden handele es sich um fehlende Gegenstücke zu bislang bekannten Teilen des Schatzes.
Die Erfurter Kunsthistorikerin Maria Stürzebecher erklärte, die Entdeckung der Gewandschließen schließe eine wichtige Forschungslücke. Nähere Untersuchungen müssten nun zeigen, inwieweit die fehlenden Teile neue Erkenntnisse zu Material und Verarbeitungsweise liefern können.
Der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, nannte den Fund erfreulich. Er biete die Möglichkeit, in Zeiten eines erstarkenden Antisemitismus den Blick auf die 900 Jahre währende kulturelle Leistung der Juden in Deutschland in den Blick zu nehmen.
Der 1998 unweit der Alten Synagoge in Erfurt gefundene mittelalterlich-jüdische Schatz gilt als der bedeutendste archäologische Fund der vergangenen 100 Jahre im Erfurter Stadtgebiet. Das etwa 30 Kilogramm wiegende Fundkonvolut bestand aus 3.142 Silbermünzen, 14 Silberbarren und mehr als 700 Einzelstücken gotischer Goldschmiedekunst. Höchstwahrscheinlich wurde der Schatz während des Pestpogroms im März 1349 in einem Kelleraufgang versteckt.