Findling in Berlin erinnert an polnische Besatzungsopfer

Findling in Berlin erinnert an polnische Besatzungsopfer
Ein Findling neben dem Bundeskanzleramt erinnert seit Montag an die polnischen Opfer während der NS-Besatzung. Der Stein im Berliner Regierungsviertel soll aber nur ein Provisorium sein.

Berlin (epd). Nach jahrelangem, zähem Ringen gibt es in Berlin seit Montag einen Gedenkort für die Opfer der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg. Das aus einem 30 Tonnen schweren Findling und einem Wildapfelbaum bestehende Gedenkensemble gegenüber der Reichstagswiese soll aber nur ein Provisorium sein.

2020 hatte der Bundestag beschlossen, in Berlin ein Deutsch-Polnisches Haus als Ort der Erinnerung und Begegnung zu errichten. Wann und an welchem Ort es realisiert wird, ist derzeit völlig offen.

Der am Montag eingeweihte temporäre Gedenkort neben dem Bundeskanzleramt befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Kroll-Oper. Dort tagte nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 das Parlament und dort verkündete Adolf Hitler am 1. September 1939 den Überfall Deutschlands auf Polen. Gewidmet ist das Denkmal in deutscher, polnischer und englischer Sprache „den polnischen Opfern des Nationalsozialismus und den Opfern der deutschen Gewaltherrschaft in Polen 1939-1945“.

Es geht auf eine private Initiative von 2017 zurück. Zu ihr gehörten maßgeblich unter anderem die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), ihr späterer Amtsnachfolger Wolfgang Thierse (SPD), der Berliner Rabbiner Andreas Nachama und der ehemalige Direktor des Deutschen Polen-Instituts, Dieter Bingen. Damit griffen sie eine Anregung des 2015 verstorbenen Holocaust-Überlebenden und ehemaligen polnischen Außenministers Wladyslaw Bartoszewski auf. Bartoszewski wollte einen Ort in Berlin, an dem an die sechs Millionen polnischen Opfer der deutschen Besatzungsherrschaft erinnert wird.

Die Errichtung des temporären Gedenkortes als Zwischenlösung wurde maßgeblich vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt vorangetrieben, mit Unterstützung der Berliner Senatskanzlei. An der Einweihung nahmen neben den Initiatoren von 2017 auch viele Vertreter von Bund und Ländern teil. Aus Polen waren unter anderem die polnische Kulturministerin Hanna Wroblewska und der Vorsitzende der Polnisch-Deutschen Parlamentariergruppe im polnischen Parlament Sejm, Marek Krzakala, angereist.

Alle betonten, dass dieser Gedenkort nur ein erster Schritt sein könne. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) sagte mit Blick auf den Findling: „Das ist kein Schlussstein, sondern eher ein Wegzeichen, das uns an unseren Auftrag erinnern soll.“ Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) betonte, „das kann heute nur ein Anfang sein“. Ein Deutsch-Polnisches Haus sei wichtig, besonders auch als Ort für die nachfolgenden Generationen.

Die frühere Bundestagspräsidentin Süssmuth sagte, sie wünsche sich, „dass wir jetzt das Tempo nicht verlangsamen“. Ihr Mitinitiator Thierse nannte den Findling einen „Stein des Anstoßes“: Jetzt müsse es weiter gehen.

Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Knut Abraham (CDU), verwies auf große Wissenslücken hierzulande. Er sei immer wieder erschüttert über die Ahnungslosigkeit in Deutschland über die „schmerzhafte“ gemeinsame deutsch-polnische Geschichte.