Berlin (epd). Menschen mit Behinderung werden nach Einschätzung des Deutschen Caritasverbands auf dem Wohnungsmarkt flächendeckend diskriminiert. Weil Vermieter in ihnen ein „erhöhtes Risiko“ sähen, hätten Betroffene nur geringe Chancen auf eine bezahlbare Wohnung, sagte Wolfgang Tyrychter, Vorsitzender des Fachverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP), dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er kritisierte, dass besondere Wohnformen wie das betreute Wohnen zu wenig staatliche Förderung erhielten.
Tyrychter nannte die Wohnsituation von Menschen mit Behinderung ein „soziales Drama“. Viele Familien befänden sich wegen der erfolglosen Suche nach einer passenden Wohnung „in einer unglaublichen Überforderung.“ Eltern, die sich ein Leben lang um ihr betreuungsbedürftiges Kind gekümmert hätten und oft auf Erwerbseinkommen verzichten mussten, stünden später im Alter oft schlecht da.
Der Fachmann verwies auf eine Studie des Pestel Instituts Hannover, in der die Wohnsituation der Menschen mit Behinderung, die Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX erhalten, untersucht wurde. Die Untersuchung belege deutlich, dass diese Menschen kaum Zugang zu passendem Wohnraum haben, sagte Tyrychter.
Laut der Erhebung gibt es in Deutschland keine diskriminierungsfreie Vermietung. Menschen mit Behinderung gehören demnach für viele Vermieter als „erhöhtes Risiko“ zu Personengruppen, die als Mieter nicht berücksichtigt würden. Auch fehlten passende Wohnungen hinsichtlich Größe und Preis für Menschen mit Behinderung. Damit werde ein großer Teil der Betroffenen „faktisch ausgeschlossen“, sagte der Verbandschef.
Nach Tyrychters Angaben leben etwa 191.000 Menschen mit Behinderung in betreuten Wohngemeinschaften, in denen eine 24-stündige Assistenz sichergestellt ist. Aufgrund der fehlenden Investitionsprogramme der Länder könnten bestehende Immobilien nicht modernisiert und auch nicht neu gebaut werden. „Die Anzahl der Plätze in betreuten Wohngemeinschaften geht außerdem durch die Erhöhung der rechtlichen Standards in den Heimordnungen zurück“, sagte der Experte.
Der CBP fordert jährlich 13 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsneubau mit einer festen Quote von zehn Prozent für Wohnraum für Menschen mit Behinderung. Zudem müsse Wohnraums in betreuten Wohngemeinschaften und besonderen Wohnformen gefördert werden.