Nationale Studie: 13 von 100 Befragten sind Opfer von Missbrauch

Nationale Studie: 13 von 100 Befragten sind Opfer von Missbrauch
Eine erste nationale Dunkelfeldstudie zeigt: Das Ausmaß sexualisierter Gewalt ist hierzulande erheblich. Betroffenenvertreter fordern eine bessere Prävention solcher Taten.

Mannheim (epd). Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist in Deutschland weitverbreitet. Laut einer Studie geben fast 13 von 100 Befragten an, mindestens einmal im Leben von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen zu sein. Bezogen auf die Grundgesamtheit der 18- bis 59-Jährigen in Deutschland entspreche das 5,7 Millionen Menschen, sagte Studienkoordinator Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) am Dienstag bei der Vorstellung der nach seinen Angaben ersten bundesweiten repräsentativen Dunkelfeldstudie zu sexualisierter Gewalt.

Obwohl das Bewusstsein um die Problematik in den vergangenen Jahren in Deutschland gewachsen sei, müsse von einem „großen Dunkelfeld“ ausgegangen werden, betonte Dreßing. Der Psychiater gilt als Experte für die Erforschung sexualisierter Gewalt, er war unter anderem auch bei den Missbrauchsstudien für die evangelische und katholische Kirche federführend beteiligt. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Mannheimer Studie zeige einmal mehr, wie dramatisch hoch das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft sei.

Laut der Studie sind Frauen deutlich häufiger als Männer von sexualisierter Gewalt betroffen. Rund jede fünfte Frau (20,6 Prozent) gab an, von sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter betroffen zu sein. In der jüngeren Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen war dieser Anteil mit 27,4 Prozent noch höher. Lediglich 4,8 Prozent der befragten Männer gaben demnach an, sexualisierte Gewalt erlebt zu haben.

Die Mehrheit der Betroffenen sprach laut der Studie von einem männlichen Täter. Nur 4,5 Prozent der befragten Personen hätten sexualisierte Gewalt durch eine Frau erlebt. Am häufigsten wurde sexualisierte Gewalt in der Familie und im Freundeskreis erfahren. Bei fast einem Drittel der Fälle spielen demnach digitale Medien wie Social Media und Messenger-Dienste eine wichtige Rolle.

Bei der Befragung wurde jegliche Handlung mit sexuellem Bezug erfasst, soweit Kinder unter 14 Jahren betroffen waren, sowie sexuelle Handlungen gegen den Willen der Betroffenen unter 18 Jahren - ob mit oder ohne körperlichen Kontakt. Eingeschlossen waren auch Annäherungsversuche über digitale Kanäle.

In Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut Infratest dimap wurde eine für Deutschland repräsentative Bevölkerungsstichprobe von Personen zwischen 18 und 59 Jahren erstellt. Finanziert wurde sie aus Forschungsmitteln der Institute und mit finanzieller Unterstützung der Opferstiftung Weißer Ring, des Betroffenenvereins Eckiger Tisch und des Kinderschutzbunds.

Im Unterschied zum Hellfeld, also den zur Anzeige gebrachten und in der Kriminalitätsstatistik erfassten sexuellen Übergriffen, zeigt die Dunkelfeldstudie, dass sexualisierte Gewalt weiter verbreitet ist.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Claus, sagte, Zahlen seien sehr wichtig. Zugleich wies sie darauf hin, dass Studien, die auf Haushaltsbefragungen beruhen, Minderjährige oft nicht erreichen. Die Missbrauchsbeauftragte verwies auf eine für Frühjahr 2026 geplante repräsentative Befragung von Schülerinnen und Schülern der 9. Klassen in Deutschland, die ihr Amt initiiert habe. Erste Ergebnisse sollen 2027 vorliegen.

Die Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ forderte eine bessere Prävention für Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. „Jetzt kommt es darauf an, als Gesellschaft das ganze Ausmaß dieser Katastrophe tatsächlich wahrzunehmen und Maßnahmen zu etablieren, um künftig Jungen und Mädchen besser zu schützen.“