Solingen-Attentäter gesteht zum Prozessauftakt den Messerangriff

Solingen-Attentäter gesteht zum Prozessauftakt den Messerangriff
Der Prozess zum Messerangriff beim Solinger Stadtfest beginnt mit einem Geständnis: Er habe schwere Schuld auf sich geladen, sagt der Syrer Issa al H. Seine Motivation bleibt zunächst offen. Die Anklage hält ihn für einen IS-Terroristen.

Düsseldorf, Solingen (epd). Im Mordprozess um den mutmaßlich islamistisch motivierten Messerangriff von Solingen hat der Angeklagte die Tat am ersten Verhandlungstag gestanden. „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen“, räumte der 27-jährige Syrer Issa al H. am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf in einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung ein. Er verdiene und erwarte eine lebenslange Haftstrafe und sei bereit, diese „entgegenzunehmen und zu akzeptieren“. (AZ: III-5 St 2/25)

Bei dem Messerangriff beim „Fest der Vielfalt“ zum 650-jährigen Bestehen der Stadt Solingen waren am 23. August vergangenen Jahres eine Frau und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren getötet worden. Zehn Menschen wurden verletzt, acht von ihnen schwer.

Zum Tatmotiv und zu der ihm vorgeworfenen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) äußerte sich der Beschuldigte zunächst nicht direkt. In seiner Erklärung sagte er: „Ich habe Unschuldige getötet und verletzt, keine Ungläubigen.“ Christen und Muslime seien „Cousins und keine Feinde“. Im Gerichtssaal zeigte sich der mit einem blauen T-Shirt bekleidete Angeklagte offen und verzichtete darauf, sein Gesicht hinter einem Aktenordner zu verstecken. Er hielt aber immer wieder den Kopf gesenkt oder legte die Stirn auf die Tischplatte.

Die Anklage lautet auf dreifachen Mord, zehnfachen versuchten Mord sowie Mitgliedschaft im IS. Die Bundesanwaltschaft geht bei der Tat von einer terroristischen Motivation aus. Issa al H., der als Asylbewerber nach Deutschland gekommen war, habe die Opfer als Repräsentanten der von ihm abgelehnten westlichen Gesellschaftsform angesehen. An ihnen habe er Vergeltung für militärische Aktionen westlicher Staaten üben wollen.

Issa al H. habe gezielt auf den Halsbereich von Besuchern der 650-Jahr-Feier eingestochen, sagte Bundesanwalt Jochen Weingarten bei der Verlesung der Anklage. Er habe von seinen Opfern erst abgelassen, nachdem er gemeint habe, dass sie tödlich verletzt seien.

Der Angeklagte habe aus „niedrigen Beweggründen und Heimtücke“ sowie geprägt von einer islamistischen Einstellung die Opfer attackiert, sagte Weingarten. Zu der Tat sei er durch Internet-Chats mit drei Vertretern islamistischer Gruppen animiert worden. Zur Vorbereitung der Tat habe er mehrere Videos hergestellt und versandt und auch den Treueschwur auf den Kalifen des IS abgeleistet. Das sei die Voraussetzung dafür gewesen, dass die Terrororganisation die Tat für sich reklamierte.

Der Sachverständige Johannes Fuß vom Institut für Forensische Psychiatrie und Sexualforschung der Universität Duisburg-Essen schilderte seine Erkenntnisse aus zwei Explorationen mit dem Angeklagten. Demnach wurde Issa al H. als sechstes von acht Kindern geboren, er bezeichne sich als nicht besonders religiös. Auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg lebte er zunächst in der Türkei und kam dann mit Hilfe von Schleppern nach Deutschland.

Die Berichterstattung zu den israelischen Militäraktionen im Gaza-Streifen und vor allem der Tod unschuldiger Kinder dort hätten ihn belastet, sagte Fuß. In der Kommunikation mit islamistischen Chat-Partnern sei er dazu aufgefordert worden, in Deutschland Rache für die Toten zu nehmen. Issa al H. meine, er sei „hereingelegt“ und letztlich „selbst Opfer“ einer religiösen Indoktrinierung geworden.

Als Issa al H. auf dem Fronhof in der Solinger Innenstadt ankam, auf dem er die Tat verübte, habe er eine „vorübergehende Wahrnehmungsstörung“ gehabt und auf der Bühne, wo gerade eine Band spielte, tote palästinensische Kinder und einen lachenden israelischen Polizisten gesehen, sagte Fuß. An die Tat könne sich der junge Mann nach eigenen Angaben nicht erinnern.

Für das Verfahren im Hochsicherheitstrakt des OLG sind zunächst 22 Verhandlungstage angesetzt. In dem Prozess sind fast 50 Zeugen und mehrere Sachverständige geladen. Es gibt zwölf Nebenkläger, vor allem Geschädigte und drei Angehörige. Das Urteil könnte am 24. September verkündet werden.