Frankfurt a.M., Bogotá (epd). In Kolumbien zwingt das Verfassungsgericht die katholische Kirche zur Freigabe von Informationen über mehr als 600 mutmaßliche Missbrauchsfälle. Die Kirche müsse entsprechende Akten über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Priester den klagenden Journalisten zur Verfügung stellen, entschieden die Richter in einem bahnbrechenden Urteil am Montag (Ortszeit) laut dem TV-Sender RTVC. Damit gab das Gericht mehr als 120 Gesuchen von Medienschaffenden auf Einsicht in geheime Akten statt.
Die Entscheidung bedeutet eine Kehrtwende bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der kolumbianischen Kirche. Das Verfahren, das vom Journalisten Juan Pablo Barrientos angestoßen wurde, dauerte über zwei Jahre und begann in der Erzdiözese von Medellín. Der Reporter recherchiert seit Jahren zu sexuellem Missbrauch von Kindern durch Priester.
Barrientos schrieb auf dem Online-Portal „Casa Macondo“, für das er arbeitet, mit nur 13 Prozent der beantragten Akten sei es möglich gewesen, die Namen von 600 wegen Missbrauchs angeklagten Priestern herauszufinden. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts bedeute, dass die Kirche die weiteren 87 Prozent der Informationen freigeben müsse.
Laut der Zeitung „El Espectador“ hatte das Verfassungsgericht bereits 2020 und 2022 die Aktenfreigabe in mehreren Fällen entschieden. Die Kirche hatte sich jedoch auf das Kirchengeheimnis und den Datenschutz berufen und sich geweigert, der Justiz Folge zu leisten. Das Verfassungsgericht ließ diese Argumentation nicht gelten. Das Recht auf Wahrheit und die Rechte der Opfer stünden über dem Schutz der Daten der mutmaßlichen Täter. Zudem handele es sich um Informationen, die von besonderem gesellschaftlichem Interesse seien, erklärte das Gericht.