Berlin (epd). Die Nationale Armutskonferenz (NAK) vermisst im Koalitionsvertrag konkrete Aussagen, wie die soziale Ausgrenzung von Menschen künftig verhindert werden soll. „Das alles ist noch recht unentschlossen“, sagte Michael David, Mitglied im Koordinationskreis der NAK, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gebe zwar einige Prüfaufträge, „aber es ist offen, was bei den Prüfungen herauskommt und dann auch umgesetzt wird“. Das Ziel der Regierung müsse sein, für Bedürftige staatliche Hilfen aus einer Hand anzubieten, sagte der Experte der Diakonie.
Dass laut Koalitionsvertrag Kinderarmut bekämpft werden soll, sei ein wichtiger Punkt. „Und fest steht auch, dass das Geld im Bildungs- und Teilhabepaket um fünf auf 20 Euro angehoben wird“, sagte David. Doch wie diese Hilfen für bedürftige Familien besser nutzbar werden, sei offen. „Die familienpolitischen Leistungen sind im Antragsverfahren noch immer sehr bürokratisch. Man muss vier, fünf, sechs verschiedene Anträge auf sich ergänzende Leistungen stellen, damit das Existenzminimum samt dem der Kinder abgedeckt wird. Die Folge ist, dass das viele Leute gar nicht hinbekommen.“
David verwies darauf, dass zum Beispiel nur 50 Prozent der Berechtigten den Kinderzuschlag von maximal 297 Euro in Anspruch nehmen. „Das hat man wohl jetzt erkannt, und so klingt im Koalitionsvertrag zumindest an, dass man das anders organisieren will.“ Doch es sei abzuwarten, ob die Antragsverfahren wirklich unkompliziert gestaltet werden. „Die Rede ist auch von einer Teilhabe-App, die den Leistungsbezug vereinfachen soll. Doch ob dieser Weg der Digitalisierung wirklich was bringt, ist mehr als fraglich.“
Eine solche Idee habe 2010 schon die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gehabt. „Damals gab es ein ewig langes Prüfverfahren und dann kam die Digitalisierung nicht, weil man sie für nicht umsetzbar hielt“, sagte David. Stattdessen habe die Regierung das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt. „Die Bedenken von damals gelten noch heute“, unterstrich David: „Eine App ist viel zu kompliziert, das wird nicht funktionieren.“
Um diese Hilfen digital zu organisieren, müssten alle Anbieter bis hin zum letzten Sportverein ihre Daten in ein zentrales Portal einpflegen, wodurch dann auf diese App zugegriffen werden könne. „Das ist total unrealistisch, zumal das in den allermeisten Vereinen, die Angebote für Kinder und Jugendliche machen, ehrenamtlich erledigt werden müsste.“ Es wäre viel einfacher, das Geld in die Hand zu nehmen und den Familien direkt für Aktivitäten im Sportverein oder für die Kultur auszuzahlen.