Experte: Digitalisierung verstärkt Klimaerhitzung

Experte: Digitalisierung verstärkt Klimaerhitzung
22.05.2025
epd
epd-Gespräch: Jens Bayer-Gimm

Darmstadt (epd). Die Digitalisierung in Wirtschaft und Haushalten verstärkt nach den Worten des Internet-Beraters Torsten Beyer die Klimaerhitzung. Die Einspareffekte durch Effizienzgewinne würden durch einen höheren CO2-Ausstoß aufgrund der stärkeren Nutzung digitaler Geräte übertroffen, sagte der Chemiker im südhessischen Ober-Ramstadt dem Evangelischen Pressdienst (epd). Doch das Bewusstsein für den klimaschädlichen Einfluss des enorm wachsenden Datenverkehrs sei kaum vorhanden. Beyer spricht zu dem Thema auf dem Bundeskongress der Scientists for Future von diesem Freitag bis Sonntag in Darmstadt.

„Eine E-Mail verbraucht weniger Strom als ein Fax oder ein Brief. Aber wir verschicken viel mehr E-Mails als Faxe oder Briefe“, erläuterte Beyer. Ähnlich verhalte es sich mit der Zahl der Videokonferenzen gegenüber Dienstreisen. „Wir machen uns nicht klar, wieviel Strom wir verbrauchen“, sagte der Berater. Daten-Flatrates vermittelten die Illusion, die Nutzungsdauer spiele keine Rolle. Dabei verursache ein Gigabyte Datenfluss einen Ausstoß von rund 400 Gramm CO2, ungefähr so viel wie eine Fahrt von vier Kilometern mit dem E-Auto. „Wenn das Internet ein Land wäre, stünde es im Stromverbrauch und beim CO2-Ausstoß an dritter Stelle hinter China und den USA“, verglich Beyer.

Angesichts des rasanten Ausbaus der Künstlichen Intelligenz (KI) werde das Internet vielleicht bis 2030 China überholen und an erster Stelle stehen. „Die KI ist der Brandbeschleuniger für den Stromverbrauch des Internets“, sagte der Internet-Berater. Die Verbraucher bemerkten die Kosten nicht, weil die Internetunternehmen sie noch als kostenlose oder kostengünstige Tester zum Trainieren ihrer Modelle benutzten. Um die großen Rechenzentren dafür zu betreiben, würden neue fossile Kraftwerke gebaut und Atomkraftwerke geplant. Rechenzentren seien laut den UN neben Klimaanlagen und der E-Mobilität inzwischen der stärkste Treiber für den globalen Stromverbrauch. Der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen halte damit nicht Schritt.

„Der Datenfluss müsste die gleiche Bedeutung wie das Trinkwasser erfahren“, forderte Beyer. Die Verbraucher müssten sich fragen: „Brauche ich jetzt die Daten oder drehe ich den Hahn zu?“ Die unbegrenzte Flatrate sei ein Hauptübel: „Wir subventionieren Extremnutzer.“ Es müsste wie beim Wasser einen Zähler oder wie beim Mobilfunk ein Datenlimit geben. Auch Daten, die unbenutzt auf Rechnern oder Rechenzentren liegen, verursachten Kosten. Initiativen wie der „Digital Cleanup Day“ machten auf dieses Einsparpotenzial aufmerksam. Staatliche Regulierung müsste den Verbrauch in andere Bahnen lenken, forderte Beyer.

Zum überhöhten Stromverbrauch trage auch der schleppende Ausbau des Glasfasernetzes bei, sagte der Berater. Eine Datenübertragung per LTE verbrauche sechseinhalbmal so viel Strom wie über Glasfaser. In der Schule sollte darüber aufgeklärt werden, dass ein mehrstündiger TikTok-Konsum am Tag auf das Jahr gerechnet den Ausstoß von mehreren Tonnen CO2 verursache, regte Beyer an. Der nach Schätzungen ökologisch verkraftbare Kohlendioxid-Ausstoß von zwei Tonnen pro Kopf und Jahr werde bald allein durch die Internetnutzung verursacht.