Münster (epd). Nach dem Messer-Angriff eines Flüchtlings in Bielefeld fordert der Münsteraner Kriminologe Christian Walburg einen differenzierten Blick auf das Thema Migration und Kriminalität. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr wegen eines Gewaltdelikts polizeilich erfasst worden seien, habe mit rund 27.000 in etwa auf dem Niveau von 2016 und 2017 gelegen, sagte Walburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Und das, obwohl diese Gruppe seit 2017 ja noch weiter angewachsen ist.“ Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl in dieser Gruppe habe die Gewalt durch Flüchtlinge danach sogar etwas abgenommen, sagte der Forscher von der Universität Münster.
Auch die Zahl der sogenannten vollendeten Tötungsdelikte, bei denen ein Flüchtling als Tatverdächtiger ermittelt wurde, sei seit 2016 in etwa auf dem gleichen Niveau. Dabei handele es sich um rund 50 Fälle pro Jahr, der Anteil an allen solchen Fällen betrage rund neun Prozent. „Insgesamt sind nur wenige der rund drei Millionen Schutzsuchenden in Deutschland mit Gewaltdelikten auffällig“, betonte Walburg.
Gleichzeitig stimme aber auch, dass Geflüchtete häufiger wegen Gewaltdelikten erfasst würden, als man nach ihrem Bevölkerungsanteil zu erwarten hätte, sagte der Kriminologe. So seien zum Beispiel 2023 in Nordrhein-Westfalen bei der polizeilich erfassten Messerkriminalität im öffentlichen Raum 17,7 Prozent der Tatverdächtigen „Zuwanderer“ beziehungsweise Geflüchtete gewesen (rund 570 Personen). Zugleich betrage ihr Bevölkerungsanteil in NRW nur gut vier Prozent.
Gründe dafür sieht Walburg in der anteilig hohen Zahl an jungen Männern in dieser Gruppe. Diese würden in allen Gesellschaften als „höher gewaltbelastet“ eingestuft, erklärte er. Zudem seien viele Flüchtlinge zunächst nicht gut sozial eingebunden und lebten in prekären Verhältnissen. Auch hätten Flüchtlinge in einem größeren Maß als Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind, in ihrem Leben bereits Gewalt und Instabilität erlebt. „Manche haben sich schon länger auf der Straße durchschlagen müssen, manche sind psychisch belastet“, sagte Walburg. „Diese Faktoren begünstigen auch Radikalisierungsprozesse.“ Es gelte daher weiter, die Neuankömmlinge so gut wie möglich bei der Integration zu unterstützen.