Berlin (epd). Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. Grund sei eine „die Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung der Gesamtpartei“, teilte der Verfassungsschutz am Freitag mit. Mit der neuen Einstufung werden parteiübergreifend die Forderungen nach einem AfD-Verbot lauter. Die AfD-Spitze kündigte unterdessen an, juristisch gegen die Einstufung vorzugehen.
Mit der neuen Bewertung wird erstmals die gesamte Partei als verfassungsfeindlich eingestuft. Bisher hatten die Behörden nur die Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt entsprechend bewertet. Auf Bundesebene galt die AfD bislang lediglich als rechtsextremer „Verdachtsfall“.
Der Verdacht, dass die AfD gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, hat sich dem Verfassungsschutz zufolge bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet. „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, teilte die Kölner Behörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen.
Bei ihrer dreijährigen Prüfung berücksichtigte die Behörde nach eigenen Angaben neben Programmatik und offiziellen Verlautbarungen der AfD-Bundespartei insbesondere auch Äußerungen sowie das Verhalten von Parteivertretern. Zudem spielten Verbindungen zu rechtsextremistischen Akteuren und Gruppierungen eine Rolle.
Die AfD-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla kritisierten die Verfassungsschutz-Hochstufung ihrer Partei als politisch motiviert und kündigten an, sich juristisch dagegen zur Wehr zu setzen. Die AfD werde als Oppositionspartei kurz vor dem Regierungswechsel „öffentlich diskreditiert und kriminalisiert“, erklärten sie. Weidel und Chrupalla sprachen zudem von einem schweren „Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie“.
Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) versicherte, dass es keinerlei politischen Einfluss auf das 1.100-Seiten starke Gutachten gegeben habe. Es sei der klare gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes, gegen Extremismus vorzugehen und die Demokratie zu schützen.
Nach der Entscheidung des Verfassungsschutzes forderten mehrere Politikerinnen und Politiker sowie die zivilgesellschaftliche Kampagne „Menschenwürde verteidigen - AfD-Verbot jetzt!“, ein Verbotsverfahren gegen die Partei voranzutreiben. So sprach sich der CDU-Politiker Marco Wanderwitz in der „Rheinischen Post“ für eine zügige Beantragung des Verbotsverfahrens aus. „Eine wehrhafte Demokratie muss eine wirkmächtige rechtsextreme Partei vom Spielfeld nehmen, ohne Wenn und Aber“, betonte er. Auch SPD-Politikerin Carmen Wegge forderte in den Zeitungen des „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ ein Verbotsverfahren. Ähnlich äußerten sich die frühere Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang und die Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Heidi Reichinnek.
Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte indes vor einem übereilten Verbotsverfahren. „Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf“, sagte er. Scholz verwies auf Parteiverbotsverfahren, die in der Vergangenheit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert waren, etwa zur rechtsextremistischen NPD. „Deshalb muss man diese Dinge sehr sorgfältig erwägen, ich bin gegen einen Schnellschuss.“
Mit der Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ sinken die rechtlichen Hürden für eine Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wird dadurch möglich - etwa das Beobachten von Treffen, das Abhören von Telefonaten oder das Gewinnen von Informanten.