Hannover (epd). Trotz der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch hat sich der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegen einen Schnellschuss bei einem Parteiverbotsverfahren ausgesprochen. „Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf“, sagte er am Freitag in Hannover beim evangelischen Kirchentag.
Scholz verwies auf Parteiverbotsverfahren, die in der Vergangenheit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert waren, etwa zur rechtsextremistischen NPD. „Deshalb muss man diese Dinge sehr sorgfältig erwägen, ich bin gegen einen Schnellschuss.“ Die Nachricht über die Entscheidung des Bundesamts für Verfassungsschutz erntete viel Zuspruch und Applaus auf den Podien und unter den Besuchern des Kirchentags.
Der Verfassungsschutz stuft die AfD aufgrund „der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei als gesichert extremistische Bestrebung“ ein, wie die Behörde am Freitag mitteilte.
Die frühere Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang plädierte dafür, ein AfD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. „Wann wäre der Moment, wenn nicht jetzt“, sagte sie beim Kirchentag. Sie wäre dafür, dass der Bundestag solch ein Verfahren beschließt, ergänzte die Bundestagsabgeordnete und warb für entsprechende Gespräche der demokratischen Fraktionen.
Der CDU-Politiker Philipp Amthor äußerte sich dagegen skeptisch. Man dürfe sich nicht vormachen, dass man die Probleme durch Feinde der Demokratie nur durch Verbotsverfahren lösen könne. Zudem warnte er ähnlich wie Scholz vor den hohen Hürden. Ein Scheitern würde „instrumentalisiert werden als demokratisches Gütesiegel aus Karlsruhe“, sagte der designierte Staatssekretär.
Scholz, der für einen seiner letzten öffentlichen Auftritte als Bundeskanzler viel Applaus aus dem Publikum erhielt, hält Respekt und Solidarität in einer Gesellschaft für Mittel gegen rechten Populismus. „Wir müssen untereinander Respekt entwickeln für unterschiedliche berufliche Lebenswege und Lebensentscheidungen über die Frage, wie man sein Glück finden will“, sagte er.
Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) forderte mehr Respekt gegenüber Geflüchteten. „Der Einzelne, der hier ist, kann nichts dafür, wie die Welt aussieht“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete. Die aufnehmende Gesellschaft müsse Flüchtlingen eine Chance geben. „Anzuerkennen, dass Flüchtlinge auch Respekt verdient haben“, sei „gerade ein bisschen verloren gegangen“, beklagte er.
Der frühere Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) rief zum gesellschaftlichen Engagement gerade in schwierigen Zeiten auf. „Es gibt eine Verantwortung für den Ort, in dem man lebt“, sagte er. Und es gebe eine Mitverantwortung für die dort lebenden Menschen - „selbst wenn man sie nicht mag oder sie Unrecht tun“.
Er höre neuerdings Stimmen wie: „Wenn es schwierig wird, haue ich schon mal ab. Wenn die AfD regiert, wenn Putin uns angreift, wenn Trump zu mächtig wird, wir sind weg“, sagte das Kirchentags-Präsidiumsmitglied. Aber die Welt werde nicht besser, wenn man aus schwieriger Lage weggehe oder in die innere Emigration flüchte.