Berlin (epd). Die wachsende Zahl von Menschen über 80 Jahre stellt die Krankenhäuser in Deutschland einer AOK-Analyse zufolge vor Probleme. Die Kliniken seien dafür „aktuell nicht gerüstet“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, am Mittwoch in Berlin. Sie beschrieb eine „doppelte demografische Herausforderung“, weil die höhere Zahl hochbetagter Patientinnen und Patienten auf eine sinkende Zahl von Fachkräften treffe.
Laut dem neuen Krankenhaus-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) wird die Zahl der Menschen über 80 bis zum Jahr 2050 von aktuell sechs auf rund neun Millionen steigen. Im Vergleich zu Jüngeren seien die Hochbetagten häufiger im Krankenhaus und hielten sich dort auch länger auf, erläuterte der stellvertretende Wido-Geschäftsführer, David Scheller-Kreinsen, auf der Pressekonferenz: Die mittlere Verweildauer betrug demnach 2023 in der Altersgruppe ab 80 Jahren 8,1 Tage; bei Menschen unter 60 waren es 4,2 Tage.
In der Regel litten die besonders Alten an mehreren Erkrankungen, seien insgesamt körperlich schwach oder eingeschränkt, und „die kognitive Dimension spielt eine viel größere Rolle“, etwa durch Demenz, führte Scheller-Kreinsen aus. Es gebe aber durchaus „Gestaltungsoptionen“, um dieser Herausforderung zu begegnen. Wichtig sei zum einen „Handlungssicherheit beim Personal“ im Umgang mit den Hochbetagten und ihren besonderen Bedürfnissen. Zum anderen empfahl Scheller-Kreinsen eine „Ambulantisierung“. In vielen Fällen sei ein Krankenhausaufenthalt alter Menschen, der diese zudem sehr belaste, vermeidbar und eine gute ambulante Versorgung die bessere Wahl.
Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie reagierte besorgt auf den Report. Er zeige „schonungslos“, dass viele Kliniken „schlecht vorbereitet und schon jetzt personell unterbesetzt“ seien, teilte die Fachgesellschaft für Altersmedizin in Köln mit. Hochbetagte müssten vor und nach einem Krankenhausaufenthalt anders versorgt werden. „Sonst werden zukünftig die Klinikkapazitäten nicht mehr ausreichen, um alle versorgen zu können“, sagte der Präsident der Gesellschaft, Markus Gosch.
Der Präsident der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, nicht nur die Kliniken, sondern vor allem die ambulante medizinische Versorgung sei auf die absehbare demografische Entwicklung nicht vorbereitet. „Wenn Facharzttermine kaum zu bekommen sind, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Professionen im ambulanten Bereich nicht funktionieren und die ärztlichen Besuche daheim ausbleiben, enden medizinische Krisen oft in Krankenhäusern“, bemängelte Brysch.
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht Defizite: Ihr Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß erklärte, wenn Pflegebedürftige ins Krankenhaus kämen, dann „oft, weil ambulante Strukturen nicht verfügbar oder überfordert sind“. Wer Krankenhausaufenthalte reduzieren wolle, müsse „zuerst für flächendeckend erreichbare, gut finanzierte und personell ausgestattete Alternativen sorgen“.