Zander: Missbrauchsskandal ist Genickschuss für die Kirche

Zander: Missbrauchsskandal ist Genickschuss für die Kirche

Coburg (epd). Der Sprecher der Betroffen sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Detlev Zander, hat die bayerische evangelische Landeskirche mit deutlichen Worten dazu aufgerufen, Verantwortung in der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt zu übernehmen. „Nicht immer sagen: 'Wir werden. Wir sollten. Wir müssen -, sondern einfach machen“, sagte der Sprecher des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt in EKD und Diakonie (BeFo) am Montag vor der in Coburg tagenden Landessynode. Die Betroffenen „haben euch so viel gegeben. Jetzt macht was draus“, sagte er an die 108 Synodalen gewandt.

„Der Missbrauchsskandal ist ein Genickschuss für die Institution“, sagte Zander. Konkret forderte er, dass die Beschlüsse der EKD-Synode im Herbst auch in den Landeskirchen und Kirchengemeinen umgesetzt werden. Denn bisher sei sexualisierte Gewalt nach seiner Erfahrung in den meisten Gemeinden kein Thema. Diese Einschätzung teilt auch Karin Krapp, ebenfalls Missbrauchsbetroffene und Mitglied des BeFo.

Laut der evangelischen Missbrauchsstudie seien nachweislich viele Fälle vertuscht und bis in die strafrechtliche Verjährung verschleppt worden, sagte Zander. Die Betroffenen hätten dadurch ein längeres Leid erlebt, außerdem seien mehr Taten ermöglicht worden. Die Frage nach Verantwortung müsse diskutiert werden, vor allem auch, wenn es um Anerkennungszahlungen für das erlittene Leid gehe. „Ich weiß, das Thema nervt. Ich weiß, wir nerven. Ich weiß, der Zander nervt. Aber ich werde weiter nerven.“

Karin Krapp sagte, dass viele Wortmeldungen nach der Veröffentlichung der sogenannten ForuM-Studie - gerade aus Bayern - sie stutzig gemacht hätten. Sie habe das Gefühl gehabt, dass geredet worden sei, bevor überhaupt die Ergebnisse der Studie wahrgenommen wurden. Sie habe gestaunt, dass die in der Studie beschriebenen typischen Abwehrreaktionen auch nach Studien-Veröffentlichung sichtbar geworden seien - nämlich, dass es doch nur um alte Fälle gehe oder die Relativierung, dass die Kirche doch auch viel Gutes tue.

Ende Januar hatte ein unabhängiges Forscher-Team die ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt im Raum der evangelischen Kirche und der Diakonie vorgestellt. Darin ist von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede. Die Forscher gehen aber von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Die bayerische Landeskirche hatte 129 beschuldigte Personen für den Zeitraum 1917 bis 2020 für die Studie identifiziert. Laut der landeskirchlichen Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt haben sich im vergangenen Jahr 32 Menschen gemeldet. In den ersten drei Monaten des Jahres 2024 seien es bereits 20 gewesen.