Ermittlungen gegen Ex-Landrat wegen Ahrtal-Flut eingestellt

Ermittlungen gegen Ex-Landrat wegen Ahrtal-Flut eingestellt
Bei der Ahrtal-Flutkatastrophe im Juli 2021 hätte ein anderes Vorgehen des Kreises Ahrweiler möglicherweise dazu beigetragen, dass weniger Menschen umgekommen wären. Doch mit Sicherheit lässt sich dies aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht belegen.

Koblenz (epd). Der frühere Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), muss sich für sein Verhalten während der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 nicht vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat ihre Ermittlungen gegen den inzwischen im Ruhestand befindlichen Politiker und gegen den Leiter des Krisenstabs in der Katastrophennacht eingestellt. Der Leitende Koblenzer Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler erklärte am Donnerstag, es habe zwar nachweislich Defizite beim Krisenmanagement gegeben. Es könne jedoch „nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nachgewiesen werden, dass ein anderes Vorgehen einige der 135 Todesopfer hätte verhindern können.

„Ich weiß, dass viele sich eine Aufarbeitung der Schuldfrage in einer öffentlichen Hauptverhandlung wünschen“, sagte Mannweiler. Eine Verurteilung sei angesichts der verbleibenden Unsicherheiten jedoch unwahrscheinlich. Es habe keine andere Wahl gegeben, als die Ermittlungen zu beenden: „Die Staatsanwaltschaft hat nicht darüber zu befinden, ob jemand im vorliegenden Fall charakterlich versagt hat.“

Gegen die beiden beschuldigten Männer stand der Verdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen im Raum. Der Landkreis Ahrweiler hatte in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 den Katastrophenfall erst kurz vor Mitternacht ausrufen lassen, als zahlreiche Ortschaften bereits komplett überflutet und von der Außenwelt abgeschnitten waren. Die meisten Todesopfer forderte die Flutkatastrophe später am Unterlauf der Ahr in der Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und in Sinzig vor der Mündung der Ahr in den Rhein. Der damalige Landrat hatte sich nach vorliegenden Erkenntnissen aus dem Krisenmanagement zwischenzeitlich völlig zurückgezogen.

Begangene Fehler müssten vor dem Hintergrund einer unglaublich komplexen, historisch einmaligen Naturkatastrophe und dem Wissensstand der Verantwortlichen bewertet werden, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt. Für die handelnden Personen habe es keine Möglichkeit gegeben, eindeutig richtige Maßnahmen zu ergreifen. Auch eine frühere Ausrufung des Katastrophenfalls hätte nicht zwingend Opfer verhindert. Wären Tausende von Anwohnern in einer bereits chaotischen Lage überstürzt evakuiert, in Staus steckengeblieben und möglicherweise von der Flutwelle erfasst worden, hätte es möglicherweise sogar noch mehr Todesopfer gegeben.

Ein Schwerpunkt der Ermittlungen waren die Geschehnisse in einer Behinderteneinrichtung in Sinzig, in der zwölf Bewohner ertranken. Gerade in Sinzig hätten die Rettungskräfte aus Sicht der Staatsanwaltschaft „eigentlich alles richtig gemacht“. Die Feuerwehr habe den Zeitvorsprung genutzt, um ganze Straßenzüge zu warnen und Evakuierungen einzuleiten. Im Lebenshilfe-Haus sei der vorgewarnte Betreuer von dem unvorstellbaren Tempo der Flutwelle überrascht worden und konnte lediglich die Bewohner eines der beiden Häuser retten. „Die Abläufe am Lebenshilfehaus können letztlich bei genauer Analyse nur als besonders unglückselig und tragisch bezeichnet werden“, erklärte Mannweiler.

In die strafrechtlichen Ermittlungen zur Ahrtalflut waren nach Auskunft des Präsidenten des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes, Mario Germano, zeitweise 100 Beamte eingebunden. Die Papierakten umfassten 20.000 Seiten, es seien 11.000 Notrufe ausgewertet und 300 Zeugen vernommen worden.