Vizekanzler verteidigt Atomausstieg - CDU: "Historischer Fehler"

Vizekanzler verteidigt Atomausstieg - CDU: "Historischer Fehler"
Zum ersten Jahrestag des Atomausstiegs gehen die Meinungen über das Thema weit auseinander. Wirtschaftsminister Habeck sieht alle damaligen Einwände als entkräftet an, CDU-Generalsekretär Linnemann widerspricht ihm diametral.

Berlin (epd). Ein Jahr nach dem Abschalten der letzten deutschen Kernkraftwerke sieht Bundeswirtschafts- und -klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) Bedenken gegen den Atomausstieg als entkräftet an. „Wir sehen heute, dass die Stromversorgung weiter sicher ist, die Strompreise nach dem Atomausstieg gefallen sind und die CO2-Emissionen ebenfalls runtergehen“, sagte der Vizekanzler den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Die Schreckensszenarien seien alle nicht eingetreten, bekräftigte Habeck.

„Wenn manche dennoch auf die Rückkehr zu Atomenergie setzen, sollte man registrieren, dass international Atomenergie nicht wettbewerbsfähig ist und Kosten aktueller Projekte explodieren“, unterstrich der Grünen-Politiker. Zudem sei die Endlagerfrage weiter ungelöst. „Es wäre daher besser, nicht permanent zu hinterfragen, worauf sich das Land einmal geeinigt hat, sondern sich auf das Lösen aktueller Probleme zu fokussieren“, forderte Habeck.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann widersprach dem Wirtschaftsminister diametral: Der Atomausstieg sei ein „historischer Fehler“ gewesen, alle Warnungen von Experten seien eingetreten, sagte er ebenfalls den Funke-Zeitungen. Kein Land der Welt habe sich „dem ideologischen Kurs dieser Bundesregierung“ angeschlossen, stattdessen würden weltweit neue Kernkraftwerke gebaut. Die einheimische Wirtschaft ächze unter hohen Energiepreisen und Deutschland insgesamt sei abhängiger von Stromimporten geworden, kritisierte Linnemann.

Habeck zufolge hat die Bundesrepublik im vergangenen Jahr zwei Prozent ihres Bruttostromverbrauchs mit Importen gedeckt. Davon sei mehr als die Hälfte kostengünstiger Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewesen und lediglich ein Viertel Atomstrom aus Frankreich. Ohnehin könnte Deutschland seinen Strombedarf auch selbst decken, doch nehme man am europäischen Strombinnenmarkt teil, unter anderem um Effizienz- und Kostenvorteile zu nutzen.

Erneuerbare Energien liefern nach Habecks Darstellung bereits mehr als die Hälfte des deutschen Strombedarfs. Ihr Ausbau nehme „richtig Fahrt auf“ und es werde deutlich, dass Regionen mit viel erneuerbaren Energien „echte Standortvorteile genießen“. Auch seien die Preise an den Strombörsen in dem Jahr seit Abschalten der letzten drei Atomkraftwerke um 40 Prozent gesunken. Gleichzeitig sei so wenig Kohle verstromt worden wie seit den 1960er Jahren nicht mehr.

Am 15. April 2023 waren mit Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen die drei letzten deutschen Atomkraftwerke (AKW) vom Netz gegangen.