Thüringer Verfassungsschutzchef warnt eindringlich vor Wahl der AfD

Thüringer Verfassungsschutzchef warnt eindringlich vor Wahl der AfD
Der Jahresempfang der Diakonie war diesmal ein Appell zum Eintreten für die Demokratie: Verbandschef Schuch sieht soziale Arbeit durch Rechtsextremisten unter Druck. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Kramer warnt vor der AfD.

Berlin (epd). Der Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, warnt eindringlich vor den Folgen für die Demokratie bei einem Wahlerfolg der AfD in den anstehenden Landtagswahlen. Wenn es dieser Partei, die im Frühjahr 2021 in Thüringen als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft wurde, gelinge, Regierungsverantwortung zu übernehmen, „dann wird es ernst mit der Frage, wie geht es mit unserem Rechtsstaat weiter“, sagte Kramer am Dienstagabend beim traditionellen Wichernempfang der Diakonie in Berlin. Das Gleiche gelte für die unabhängige Justiz, die Demokratie, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

In Thüringen wird im September ein neuer Landtag gewählt. Auch in Sachsen und Brandenburg finden im September Landtagswahlen statt. In allen drei Ländern kann die AfD Umfragen zufolge hohe Wahlergebnisse erreichen. Kramer warnte davor, zu glauben, die AfD als Regierungspartei entzaubern zu können. „Ich glaube, dass der Versuch, die AfD in politischer Verantwortung zu demaskieren, gründlich schiefgehen wird“, sagte Kramer, den die Diakonie als Gastredner eingeladen hatte.

Er sei zuversichtlich, dass dieses Wahlergebnis nicht zustande komme. „Ausgezählt wird am Wahlabend“, sagte Kramer und ergänzte: „Bis dahin haben wir alles zu tun, um ein möglichst anderes Ergebnis zu erreichen, nämlich dass die auf dem Boden der Verfassung stehenden Parteien die Zukunft unseres Landes gestalten und nicht die Alternative, die keine Alternative ist.“ Er rief dazu auf, rechtsextremen Positionen im Alltag zu widersprechen. Die Weimarer Republik sei seinerzeit „nicht an zu vielen Nazis gescheitert“, sondern an zu wenigen Demokraten, die täglich das Wort für die Demokratie ergriffen hätten.

Auch Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch wendete sich gegen die AfD. Die Partei erwecke den Eindruck, als benenne sie Probleme, die andere Parteien nicht wahrnehmen. „Auf der Basis einer völkisch-nationalen Ideologie spitzt sie zu und dramatisiert“, sagte er. Schuch forderte, der gesellschaftlichen Verunsicherung etwas entgegenstellen, konkret eine gute Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik. Er sei „hohe Zeit“, dass die Politik das Vertrauen der Menschen in ihre Lösungskompetenz zurückgewinne. Den Streit in der Ampel-Koalition um die Kindergrundsicherung nannte er „skandalös“.

Der Verbandschef sieht zugleich die Arbeit von Wohlfahrtsverbänden zunehmend durch rechtsextreme Diffamierungen unter Druck. Längst stehe dabei nicht mehr nur die Arbeit mit Geflüchteten, die Migrationsberatung und Integrationsförderung im Fokus, sagte Schuch. „Diffamierungen und bisweilen auch offene Anfeindungen von rechts außen erleben wir in einer großen Bandbreite unserer Arbeit mit Menschen mit Behinderung, mit von Armut Betroffenen, in der Arbeit mit langzeitarbeitslosen Menschen oder mit Wohnungslosen“, sagte der Theologe. Die Vorwürfe lauteten „Verschwendung von Steuergeldern“, „ideologische Einseitigkeit“, „undemokratisches Verhalten“ oder gar „Linksextremismus“.

Schuch nahm für seinen Verband deutlichen Widerspruch gegen rechtsextreme Positionen in Anspruch. „Rechtsextreme behaupten, soziale Organisationen müssten sich politisch neutral verhalten, wenn sie öffentliche Fördergelder erhalten wollen“, sagte er. Auf diese Weise solle Kritik an rassistischen, antisemitischen, antimuslimischen, minderheitenfeindlichen und antidemokratischen Positionen und Äußerungen delegitimiert werden. „Richtig ist, dass deutliche Kritik an solchen menschenverachtenden Positionen geradezu geboten ist. Wir verhalten uns gegenüber diesen Parolen nicht neutral“, sagte er. Man müsse deutlich machen, „welch verheerende Folgen ein weiterer Zugewinn an Einfluss und an politischer Macht der extremen Rechten für unser demokratisches Gemeinwesen hätte“.