Migrationsforscher: Asylbewerber sollten sofort arbeiten dürfen

Migrationsforscher: Asylbewerber sollten sofort arbeiten dürfen
05.03.2024
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Osnabrück (epd). Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer hält die Debatte um eine Arbeitspflicht für Asylbewerber für irreführend und fordert ein Recht auf Arbeit von Beginn an: „Wenn wir diese Menschen in Arbeit bringen wollen, weil wir einen Mangel an Arbeitskräften haben und gleichzeitig Sozialleistungen einsparen wollen, dann wäre es sinnvoll, ihnen vom ersten Tag an Arbeitsmöglichkeiten zu bieten“, sagte Oltmer in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Historiker an der Universität Osnabrück sieht damit zugleich die Chance, die Ziele des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zu erfüllen. „Anstatt Fachkräfte aus dem Ausland mühsam anzuwerben, könnte man diejenigen nehmen, die schon da sind.“ Menschen, die sich im Asylverfahren befinden, könnten entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt werden und ihren Lebensunterhalt verdienen. Stattdessen werde am Arbeitsverbot für noch im Verfahren befindliche Asylbewerber festgehalten und zugleich über eine Arbeitspflicht diskutiert. „Das ist widersinnig.“

Das Recht auf Arbeit nur Menschen mit einer Bleibeperspektive zuzugestehen, hält Oltmer für unrealistisch. „Die Praxis zeigt, dass es meistens langwierig ist, festzustellen, wer bleiben darf und wer nicht.“ Die Asylverfahren dauerten lange. Es sei nicht ersichtlich, warum sich das ändern sollte. Zudem klagten viele Asylbewerber mit Erfolg gegen eine Ablehnung. An diesem Mittwoch wollen die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über das Thema beraten.

Oltmer, Professor am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), warnte die Politik zudem vor einer Stimmungsmache in der deutschen Gesellschaft gegen Asylbewerber. Die Diskussion um die Arbeitspflicht, die Einführung der Bezahlkarte und die Kürzung von Sozialleistungen veränderten den Blick auf die Asylbewerber. „Man begegnet ihnen aus der Perspektive des hemmungslosen Misstrauens. Sie gelten nicht mehr als Schutzsuchende und zukünftige Mitglieder der Gesellschaft, die auch etwas beitragen können und wollen, sondern plötzlich als potenzielle Schmarotzer.“

Der Staat tue so, als müsse er die Asylbewerber erziehen und permanent kontrollieren, „weil sie sonst angeblich kriminell werden und Sozialleistungen beziehen, die sie nicht verdienen und mit denen sie Schleuser bezahlen“. Wichtig sei aber zunächst einmal anzuerkennen, dass ein großer Teil von ihnen ohnehin in Deutschland bleiben werde. „Aus dieser Perspektive ist es besser, sie so schnell wie möglich Teil des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft werden zu lassen.“