EU einig über Gewaltschutz für Frauen

EU einig über Gewaltschutz für Frauen
EU-Richtlinie klammert Straftatbestand der Vergewaltigung aus
In der EU sollen Frauen künftig besser und nach einheitlichen Standards vor sexueller und häuslicher Gewalt geschützt werden - außer, wenn sie vergewaltigt werden. Die Einigung auf eine zwiespältige Richtlinie ruft auch geteilte Reaktionen hervor.

Brüssel, Berlin (epd). Die Bundesregierung hat die Einigung auf ein Gewaltschutz-Gesetz für Frauen in der Europäischen Union (EU) begrüßt. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprach am Mittwoch in Berlin von einem „Meilenstein für Frauen in Europa“. Kritik an der Rolle Deutschlands bei den Verhandlungen kam von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren.

Erstmals werde eine EU-weite Regelung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und gemeinsame Mindeststandards für den Schutz vor dieser Gewalt geschaffen, erklärte Paus. Ein Scheitern der Richtlinie wäre ein großer gleichstellungspolitischer Rückschritt gewesen, fügte sie hinzu.

Das EU-Parlament und die EU-Staaten hatten sich am Dienstagabend in Straßburg auf die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geeinigt. Damit sollen bestimmte Straftaten in allen EU-Staaten gleich geregelt werden, etwa Cybergewalt, weibliche Genitalverstümmelung oder Zwangsehen.

Verbessert werden sollen außerdem der Zugang zur Justiz, der Schutz von Kindern und die Betreuung von Gewaltopfern. Parlament und EU-Staaten müssen dem finalen Gesetzestext noch zustimmen. Die Mitgliedsländer haben dann drei Jahre Zeit, sie umzusetzen. EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte am Mittwoch auf X, ehemals Twitter: „Wir müssen Frauen schützen und sicherstellen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.“

Das Thema Vergewaltigung klammert die Richtlinie dagegen aus. Das EU-Parlament hatte ursprünglich eine Regelung gefordert, wonach jeder sexuellen Handlung zugestimmt werden müsste, nach dem Prinzip „Ja heißt Ja“. Unter anderem in Schweden und Spanien gilt dies bereits. In Deutschland gilt seit einer Reform des Sexualstrafrechts 2016 das Prinzip „Nein heißt Nein“. Eine Vergewaltigung liegt demnach nur dann vor, wenn Frauen den Sex deutlich ablehnen. Deutschland und Frankreich hatten den Artikel 5 zu Vergewaltigungen blockiert, andere Staaten schlossen sich an.

Die Geschäftsführerin des Centre for Feminist Foreign Policy, Kristina Lunz, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), zwar sei die Einigung auf rechtliche Mindeststandards zum Gewaltschutz von Frauen „historisch“. Die Blockade Deutschlands beim Thema Vergewaltigung sei aber „nichts Geringeres als ein Skandal“. Nun gebe es in der EU weiter einen Flickenteppich nationaler Regelungen. „In mehr als zehn Staaten müssen Frauen noch immer beweisen, dass sie sich körperlich gewehrt haben, wenn sie nach einer Vergewaltigung vor Gericht gehen“, kritisierte Lunz. Die Politikwissenschaftlerin und Aktivistin hatte gemeinsam mit mehr als 100 namhaften Frauen an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) appelliert, die deutsche Blockade aufzugeben. „Als feministische Zivilgesellschaft hätten wir uns gewünscht, dass die Grünen und die SPD die Blockadehaltung des Justizministers nicht geduldet hätten“, sagte sie.

Terre des Femmes und der Deutsche Frauenrat begrüßten die Einigung auf die EU-Richtlinie, kritisierten aber ebenfalls, dass Vergewaltigung ausgeklammert wird. „Die neue Richtlinie bedeutet für Millionen Frauen eine Stärkung ihrer Rechte - außer, wenn sie vergewaltigt werden“ erklärte Sina Tonk von Terre de Femmes. Dass gerade die Bundesregierung die Umsetzung der „Ja heißt Ja“-Regelung EU-weit verhindere, sei ein herber Rückschlag für Frauenrechte. Der Deutsche Frauenrat nannte die Ausklammerung von Vergewaltigung „empörend“.