Früherer Verfassungsgerichtspräsident rät von AfD-Verbotsverfahren ab

Früherer Verfassungsgerichtspräsident rät von AfD-Verbotsverfahren ab

Berlin (epd). Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält einen Verbotsantrag gegen die AfD derzeit für falsch. „Das würde der AfD nur in die Hände spielen“, sagte er dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ (Samstag). Der Grundgesetzartikel, der das Parteiverbot regelt, setze hohe Hürden.

Für ein Parteiverbot müssten die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie angegriffen werden, und zwar in einer aggressiv-kämpferischen Art, etwa in Form eines mehr oder weniger gewaltsamen Umsturzes, erläuterte Papier. Zudem müsste die Partei von ihrem Gewicht her in der Lage sein, die grundlegende Werteentscheidung der Verfassung zu beseitigen.

Auch wenn die AfD nach Einschätzung Papiers im Gegensatz zur NPD dieses Gewicht hätte, sieht er einen Verbotsantrag kritisch. Man sollte ihn nur dann stellen, „wenn man hinreichende Informationen hat, um alle die genannten Punkte wirklich zu belegen und man mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Erfolg ausgehen kann“, sagte der Staatsrechtler.

Statt eines Verbotsverfahrens sieht Papier die gemäßigten Volksparteien der demokratischen Mitte in der Pflicht. Sie müssten Wähler zurückgewinnen. „Die AfD hat Anhänger aus dem rechtsextremen Spektrum, aber viele ihrer Wähler sind keine Rechtsextremisten“, gab der Jurist zu bedenken. Sie hätten ihre politische Heimat verloren und früher etwa Union gewählt oder sogar die Linke. „Die schleichende Erosion unserer Demokratie beruht auf dem eklatanten Versagen der Volksparteien als Mittler zwischen Bürgerschaft und politischer Führung“, sagte Papier.

Mit Blick auf die anhaltenden Bauernproteste sagte Papier, die Blockaden von Straßen und Autobahnauffahrten seien nicht mehr von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Nach Dauer, Ort und Ausmaß dürften schwerwiegende Blockaden die Grenzen der Versammlungsfreiheit wegen rechtswidriger Nötigung überschreiten, sagte er.

Zwar sei das Versammlungsrecht für die repräsentative Demokratie von ganz entscheidender Bedeutung. Es müsse jedoch einen sachlichen Bezug geben zwischen den Menschen, deren Bewegungsfreiheit durch die Blockade eingeschränkt ist, und dem sachlichen Anliegen der Protestierer. Bei den Blockaden der Landwirte fehle jeder Sachbezug, führte Papier aus. Er war von 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.