Koalitionäre wollen Sozialkürzungen im Haushalt 2024 abwenden

Koalitionäre wollen Sozialkürzungen im Haushalt 2024 abwenden
So viele Fragen waren noch nie: Zwar haben sich die Ampel-Politiker geeinigt und im Haushaltsausschuss die Beratung der Etats der Ministerien abgeschlossen. Aber niemand kann Auskunft geben, wie sich das Urteil der Verfassungsrichter noch auswirkt.

Berlin (epd). Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die für den Bundeshaushalt 2024 geplanten Mittelkürzungen im sozialen Sektor weitgehend zurückgenommen oder zeitlich gestreckt. Die Haushaltspolitiker der Ampel-Koalition betonten am Freitag in Berlin aber ausdrücklich, dass der Bundeshaushalt im Ganzen noch nicht beschlossen ist. Der Grund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Regierung 60 Milliarden Euro weniger zur Verfügung hat.

Man habe sich aber über die Etats der einzelnen Ministerien verständigt, erklärten die haushaltspolitischen Sprecher Dennis Rohde (SPD), Sven-Christan Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) nach der Haushaltsbereinigungssitzung, die am frühen Freitagmorgen zu Ende gegangen war.

Im Etat des Familienministeriums werden die Mittel für die Freiwilligendienste für 2024 nicht um 80 Millionen Euro gekürzt. Beim Bundesfreiwilligendienst hätten 53 Millionen Euro und beim sozialen und ökologischen Jahr für Jugendliche 25 Millionen Euro weniger ausgegeben werden sollen. Hier schießt der Bund stattdessen 27 Millionen Euro zu. Was 2025 passieren wird, blieb offen. Im Regierungsentwurf sind weitere Streichungen vorgesehen. Ursprünglich sollten die Ausgaben in zwei Schritten um insgesamt 113 Millionen Euro sinken. Sozial- und Wohlfahrtsverbände hatten dagegen wochenlang protestiert. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie zeigte sich erleichtert und sprach von einer „richtigen und wichtigen Entscheidung“. In den Freiwilligendiensten engagieren sich pro Jahrgang rund 90.000 Menschen. Durch die Kürzungspläne drohte bis zu einem Drittel der Stellen wegzufallen.

Die Einsparungen beim Elterngeld werden zeitlich gestreckt und fallen niedriger aus als im Entwurf geplant. Paare mit einem Jahreseinkommen über 200.000 Euro sollen von April 2024 kein Elterngeld mehr bekommen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte vor, die Einkommensgrenze für das Elterngeld zum Jahresbeginn von 300.000 Euro auf 150.000 Euro für Paare zu halbieren, um die Sparvorgabe von 500 Millionen Euro in ihrem Haushalt zu erfüllen. Zum April 2025 soll die Einkommensgrenze dann auf 175.000 Euro sinken.

Eine weitere Änderung gibt es bei den Partnermonaten: Künftig können die Eltern nur im ersten Monat nach der Geburt des Kindes gemeinsam Elterngeld beziehen, die übrigen Monate immer nur ein Elternteil. Bisher war es möglich, zwei Monate lang zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der Elterngeldzeit die Leistung gemeinsam zu beziehen. Elterngeld wird bis zu 14 Monate nach der Geburt eines Kindes gezahlt, wenn auch der Partner mindestens zwei Monate im Job pausiert. Es beträgt in der Regel 65 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens, höchstens 1.800 Euro im Monat und mindestens 300 Euro.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) muss Kürzungen von 700 Millionen Euro bei den Jobcentern nicht umsetzen, sondern behält Mittel in Höhe von 750 Millionen Euro. Die Kürzung hätte insbesondere die Integration langzeitarbeitsloser Menschen und die schnellere Vermittlung von Ukrainern zurückgeworfen. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sprach von einer „Rettung in letzter Minute“. Allerdings werde das Geld für die Herausforderungen am Arbeitsmarkt nicht reichen, so Piel. Insbesondere werde deutlich mehr Geld für die Weiterbildung gebraucht.

Am kommenden Donnerstag soll der Bundeshaushalt für 2024 im Haushaltsausschuss beschlossen werden. Zuvor soll am Dienstag eine Sachverständigen-Anhörung mehr Klarheit schaffen, in welcher Form das Urteil des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden muss. Die Richter hatten die Umwidmung von Corona-Mitteln für Klimaschutz und Wirtschaftsförderung in Höhe von 60 Milliarden Euro für verfassungswidrig erklärt.

Die Union fordert deshalb einige Wochen mehr Zeit, was die Ampel-Koalition ablehnt. Sie hatte die Sitzung des Haushaltsausschusses überwiegend passiv verfolgt. Man könne keinen Haushalt beschließen, bevor nicht die Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichts-Urteils geklärt seien, sagte der haushaltspolitische Sprecher Christian Haase (CDU). Es klafften Milliarden-Lücken im kommenden Haushalt. Der Bundestag soll Anfang Dezember entscheiden, für Mitte Dezember ist die letzte Bundesratssitzung in diesem Jahr geplant.