Berlin (epd). Mit einer Kranzniederlegung ist am Mittwoch in Berlin an den Tod des türkischen Asylbewerbers Kemal Altun vor 40 Jahren erinnert worden. An der Gedenkveranstaltung nahm auch der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein teil. Der 23-jährige Altun hatte sich am 30. August 1983 aus Angst vor einer Auslieferung in die Türkei aus dem Fenster eines Berliner Gerichts gestürzt. Sein Tod war Auslöser für die ersten Kirchenasyle.
Stäblein erklärte, Gotteshäuser seien der älteste Schutzraum für Menschen, die auf der Flucht sind und um ihr Leben ringen. Kirchenasyle gebe es unter anderem, weil nicht in allen Ländern Asylverfahren gleich gut funktionieren. Asyl in der Kirche stehe für Menschen ein, die in Not, Leid und Traumatisierung einen Weg der Anerkennung suchen.
Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz dankte allen, die sich in den vergangenen 40 Jahren dafür eingesetzt haben. „Sie leisten einen Dienst für die Humanität und das menschliche Gesicht unserer Gesellschaft“, sagte Stäblein, der auch Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.
Unter Hinweis auf vermehrte Forderungen nach Aufweichung des Asylrechts sagte er, dieses sei ein unveräußerliches Menschenrecht: „Es ist nur als Individualrecht vorstellbar.“ Unter anderem hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), angeregt, das Recht auf Asyl durch Kontingentlösungen zu ersetzen.
Bei Asylverfahren gehe es um Menschen, betonte der Bischof am Mittwoch im RBB-Inforadio: „Wir wissen aus unserer eigenen Geschichte, dieses ist ein individuelles Recht und kann nur so gelebt werden, dass jeder unvertretbar einzeln sein Recht bekommt.“
Anlässlich Altuns 40. Todestag befasste sich von Mittwoch an in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche eine zweitägige Tagung mit dem Thema Kirchenasyl. Dabei geht es laut Veranstaltern mit Vertretern aus Kirchen, Politik und Verwaltung um Veränderungen im Verständnis und in der Praxis des Kirchenasyls.
Die Juristin Cecilia Juretzka vom Verein Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg sagte am Mittwoch im RBB-Inforadio, oft sei von Abschiebung bedrohten Menschen nicht klar, dass sie noch Rechtsmittel einlegen könnten. Kirchenasyl käme in Betracht, wenn „eine besondere Härte vorliegt“. Die wichtigsten Herkunftsländer der Menschen, die sich um Kirchenasyl bemühen, seien derzeit Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Russland und die Türkei.
Laut Juretzka gehen die Asylverfahren nach der Dublin-Verordnung nicht mit einheitlichen Schutzstandards einher. Die einzelnen Länder seien zwar an die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden. In der Praxis seien diese Regelungen aber auslegungsbedürftig. Das führe dazu, dass Menschen, die nach dem deutschen Rechtssystem Anspruch auf Asyl haben, in Staaten abgeschoben werden, in denen sie praktisch keine Chance auf Anerkennung haben. So sei der Umgang mit Geflüchteten in osteuropäischen Staaten häufig nicht mit deutschen Menschenrechtsstandards vereinbar.