Expertenrat: Klimaschutzprogramm der Regierung reicht nicht aus

Expertenrat: Klimaschutzprogramm der Regierung reicht nicht aus
Erneut stellt der Klima-Expertenrat der Regierung ein schlechtes Zeugnis für ihre Klimapolitik aus. Es fehle an nachvollziehbaren Daten, präzise festgelegten Vorhaben und an realistischen Annahmen, wie stark die Emissionen sinken werden.

Berlin (epd). Dem Expertenrat für Klimafragen zufolge reichen alle geplanten Klimaschutzmaßnahmen nicht aus, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Das Gremium stellte am Dienstag in Berlin seine Stellungnahme zum Klimaschutzprogramm 2023 vor sowie seine aktuellen Prüfberichte zum Verkehrs- und Gebäudesektor. Am schlechtesten sieht es danach weiterhin im Verkehrssektor aus. Im Gebäudesektor sei unklar, wie sich die nach langem Streit in der Koalition entschärften Vorschriften zum Heizungstausch auf die Emissionen auswirken werden, so die Wissenschaftler.

Umwelt- und Klimaschutzorganisationen kritisierten die Klimapolitik der Regierung als gesetzeswidrig. Klimaminister Robert Habeck (Grüne) räumte ein, dass weitere Anstrengungen erforderlich seien. Er hatte bereits im Juni erklärt, die Klimaschutzlücke bei den Emissionen werde zwar weiter geschlossen, aber nur bis zu etwa 80 Prozent. Der ebenfalls am Dienstag veröffentlichte Projektionsbericht 2023 der Bundesregierung, der vom Umweltbundesamt zusammengestellt wird, geht davon aus, dass im Jahr 2030 trotz aller geplanten Maßnahmen immer noch bis zu 331 Millionen Tonnen mehr klimaschädliche Gase ausgestoßen werden als nach dem Klimaschutzgesetz erlaubt wären.

Der Expertenrat für Klimafragen meint hingegen, dass die Lücke selbst bei einer vollständigen Umsetzung aller 130 Maßnahmen des Klimaschutzprogramms größer ausfallen wird. Der Vorsitzende Hans-Martin Henning erklärte, gemessen an der Realität seien die Annahmen der Regierung zu optimistisch. Ob die geplante Reduzierung der Emissionen erreicht werde, lasse sich zudem nicht klar bewerten, da dem Gremium zwar viele, aber voneinander abweichende und insgesamt unzureichende Daten zur Verfügung gestellt worden seien.

Die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf sagte, man habe es mit einem „Puzzle“ zu tun gehabt. Der Regierung fehle ein Gesamtkonzept zur Minderung der Treibhausgase. Das Klimaschutzprogramm bleibe auch wegen der fehlenden Abschätzung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgewirkungen hinter dem gesetzlichen Anspruch zurück, kritisierten Knopf und Henning. Wirtschaft und Bevölkerung müssten stärker einbezogen, der CO2-Preis schneller erhöht und Emissionsobergrenzen vorgegeben werden. Bis 2030 muss der Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 65 Prozent sinken, bis 2040 um 88 Prozent, und ab 2045 muss Deutschland klimaneutral wirtschaften.

Besonders kritisch bewerteten die Experten erneut die Maßnahmen im Verkehrssektor. Auch im Gebäudesektor, also vor allem beim Heizen, werden die Ziele nicht erreicht. Beim Verkehr ist die Lücke aber am größten. Die beiden zuständigen Minister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) mussten deshalb ihre Programme nachbessern.

Die Wissenschaftler kritisieren, dass vor allem bei den PKWs zu wenig passiere, obwohl dort zwei Drittel der Treibhausgas-Emissionen im Verkehr entstehen. Was einzelne Maßnahmen wie beispielsweise die Einführung des Deutschlandtickets für die Minderung des CO2-Ausstoßes bringen, sei auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht abzuschätzen. Von Wissing und Habeck liegen unterschiedliche Prognosen zum Treibhausgasausstoß im Verkehr vor. Wissing rechnet mit stärkeren Minderungseffekten als Habeck.

Die Deutsche Umwelthilfe, der Naturschutzbund Deutschland, Greenpeace, Germanwatch und der WWF Deutschland warfen der Ampel-Regierung einhellig vor, beim Klimaschutz zu versagen. Die Umwelthilfe kündigte an, sie werde vor Gericht Tempolimits und den Abbau klimaschädlicher Subventionen durchsetzen. Germanwatch erklärte: „Die Klimapolitik der Bundesregierung verstößt gegen Recht und Gesetz.“ Greenpeace bilanzierte, das Aufsummieren kaum wirksamer Einzelmaßnahmen sei kein Klimaschutz. Deutschland brauche eine Obergrenze für das noch verbleibende CO2-Budget.

Der Expertenrat für Klimafragen überprüft regelmäßig die gesetzlichen Verpflichtungen der Regierung zum Klimaschutz. Aktuell bewertete er das im Juni dem Bundeskabinett vorgelegte Klimaschutzprogramm 2023 zur Umsetzung des Klimaschutzgesetzes sowie die nachgebesserten Klimaschutzmaßnahmen im Gebäude- und im Verkehrssektor.