Pistorius: Sicherheit und Demokratie unter Druck wie lange nicht

Pistorius: Sicherheit und Demokratie unter Druck wie lange nicht
Zum Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats mahnt Verteidigungsminister Pistorius, wachsam zu sein gegen heutige Gefahren für die Demokratie. Sicherheit, Freiheit und Rechtsstaat stünden unter Druck wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sagte er.

Berlin (epd). Beim Gedenken an das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehr Wachsamkeit gegen aktuelle extremistische Gefahren gefordert. Sicherheit, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat stünden heute von innen und außen erneut unter Druck, „in einem Maße, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebt haben“, sagte Pistorius bei der Gedenkveranstaltung zum 79. Jahrestag des Umsturzversuchs am Donnerstag in Berlin. Er verwies auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, mahnte aber zugleich, nicht alle Aufmerksamkeit darauf zu richten, sondern auch auf innere Gefahren in Deutschland.

„Hass, Hetze und Gewalt nehmen demokratiegefährdende Ausmaße an“, sagte Pistorius. Das gelte zum Beispiel dort, wo sich Menschen nicht mehr trauten, ein Mandat oder Ehrenamt anzunehmen. Pistorius verwies dabei auf die seit Jahren steigende Zahl extremistischer, rassistischer und antisemitischer Straftaten und Angriffe.

„Das sind nicht nur Warnzeichen, es sind laute, deutliche Weckrufe, Alarmsignale“, sagte Pistorius. Es seien Tatsachen, die zeigten, „dass in unserer Gesellschaft Kipppunkte entstehen“. Pistorius sprach von „Entwicklungen, in denen Wut, Ausgrenzung und Gewalt als politische Mittel salonfähig und entscheidende Grundwerte unserer Demokratie aggressiv infrage gestellt werden“. Deshalb werde mehr Wachsamkeit im Inneren gebraucht, sagte er. Betroffenheit reiche nicht. Benötigt würden starke Sicherheitsbehörden, eine leistungsfähige Justiz und deutlicher politischer Widerstand gegen verfassungswidrige Bestrebungen.

Rund 600 Gäste gedachten am Donnerstag am historischen Ort, dem Berliner Bendlerblock, der ermordeten Widerstandskämpfer vom 20. Juli 2044. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), sagte, das Vermächtnis der Hitler-Attentäter sei auch heute aktuell. Die Frauen und Männer des 20. Juli lehrten, dass es immer eine Wahl gebe, Haltung zu zeigen und sich gegen Unrecht und Unterdrückung, gegen Menschenverachtung und Diskriminierung zu erheben.

Der Vorsitzende der Stiftung 20. Juli 1944, Robert von Steinau-Steinrück, sagte, die Herstellung von Rechtsstaatlichkeit sei Kernmotiv des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gewesen. Die konsequente Fortsetzung des Widerstands sei daher Loyalität zum Grundgesetz, sagte er. Vor der Gedenkveranstaltung hatten rund 200 Menschen zudem bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Gedenkstätte Plötzensee an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft erinnert.

Am 20. Juli 1944 verübten Offiziere um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg im „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ im heutigen Polen ein Attentat auf Adolf Hitler. Ihr Ziel war der Sturz des Nazi-Regimes und ein Ende des verheerenden Zweiten Weltkriegs. Das Sprengstoffattentat scheiterte, Hitler überlebte leicht verletzt. Stauffenberg und drei seiner Mitverschwörer wurden noch in der Nacht zum 21. Juli im Berliner Bendlerblock, dem damaligen Sitz des Oberkommandos des Heeres, standrechtlich erschossen.

In den Wochen nach dem Stauffenberg-Attentat wurden weitere 140 Mitwisser und Akteure des militärischen Widerstandes gegen Hitler hingerichtet. Die Bundeswehr sieht sich in der Tradition der militärischen Widerständler gegen das Nazi-Regime und untermauert das durch öffentliche Gelöbnisse neuer Rekruten jeweils am 20. Juli.