Urteil im Linksextremismus-Prozess erwartet

Urteil im Linksextremismus-Prozess erwartet
Vier junge Menschen sind in Dresden als mutmaßliche Linksextremisten angeklagt. Nach 97 Verhandlungstagen soll der Prozess Ende Mai zu Ende gehen. Die Angeklagte Lina E. nutzte ihr letztes Wort am Mittwoch für einen Dank.

Dresden (epd). Im Prozess gegen vier mutmaßliche Linksextremisten vor dem Oberlandesgericht Dresden soll am 31. Mai das Urteil gesprochen werden. Das kündigte der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats am Mittwoch in Dresden nach den letzten Plädoyers an. Der Studentin Lina E. und drei Männern werden tätliche Angriffe auf Rechtsextreme zwischen 2018 und 2020 sowie die Gründung einer kriminellen linksextremistischen Vereinigung vorgeworfen (Az. 4 St 2/21).

Für die aus Hessen stammende Lina E., die seit November 2020 in Untersuchungshaft sitzt, hatten die Verteidiger zuvor in fast allen Anklagepunkten auf Freispruch plädiert. Die Bundesanwaltschaft fordert für die mutmaßliche Linksextremistin eine achtjährige Haftstrafe und mehrjährige Haftstrafen von bis zu drei Jahren und neun Monaten für die drei Mitangeklagten. Die Verteidiger plädieren dagegen auf Freispruch auch der drei Männer, die sich derzeit auf freiem Fuß befinden. Die linke Szene hat zu Protesten nach der Urteilsverkündung aufgerufen.

Am Mittwoch wurden die beiden letzten Plädoyers im Prozess gesprochen. Verteidiger Einar Aufurth warf den Sicherheitsbehörden ein Versagen im Umgang mit Rechtsextremisten vor. Als Beispiel für Versäumnisse nannte er unter anderem den langjährigen rechtsextremen Terror des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Rechtsextreme und linksextreme Delikte würden zuungunsten der Linksextremisten unterschiedlich geahndet, kritisierte der Berliner Anwalt. Im Fall seines Mandanten schloss er nicht aus, dass die Bundesanwaltschaft dessen Alibi möglicherweise mit Absicht übersehen habe.

Die Verteidigerin Undine Weyers äußerte in ihrem Schlusswort Zweifel an der deutschen Justiz. Immer wieder gebe es Fehlurteile, die viel zu selten revidiert würden. Die Verteidiger und damit ihre Angeklagten befänden sich auf „verlorenem Posten“, sagte die Berliner Anwältin mit Blick auf den laufenden Prozess. Der Kammer warf sie vor, sich schon festgelegt und Beweisergebnisse „abgehakt“ zu haben. Sie hoffe aber, dass nicht „schon alles feststeht“ an den Urteilen.

Lina E. nutzte ihr letztes Wort für einen Dank an ihre Eltern, „Omis“ und an Freunde sowie an ihre Anwälte. Zu dem Verfahren selbst wolle sie nichts sagen. Dankbar sei sie auch für die Besuche in den vergangenen zweieinhalb Jahren in der Justizvollzugsanstalt und für Briefe, die sie erhalten habe. Sie schloss ihre kurze Rede vor Gericht mit dem Satz: „Mein letztes Wort in diesem Prozess soll Danke sein.“

Der Hauptverhandlung hatte im September 2021 begonnen. Kurz vor Schluss war es zu einer weiteren Verzögerung gekommen. Richter Schlüter-Staats hatte die Plädoyers der Verteidigung unterbrochen. Eine Anwältin der drei mitangeklagten Männer hatte zuvor in ihrem Schlusswort angegeben, dass der Kronzeuge des Prozesses in einem parallelen Verfahren widersprüchliche Aussagen gemacht habe. Daher war vor der Fortsetzung der Plädoyers ein Zeuge geladen worden. Konkret ging es dabei um Kampfsporttrainings und die Frage, ob dabei gezielt Angriffe auf Rechtsextreme geprobt wurden.