Medikamentenmangel: Kinderärzte fordern Lösungen von Politik

Medikamentenmangel: Kinderärzte fordern Lösungen von Politik
Kinder- und Jugendärzte aus verschiedenen europäischen Ländern sehen die Gesundheit von Jungen und Mädchen in Gefahr. In einem Offenen Brief beklagen sie, dass wichtige Medikamente fehlen. Gesundheitsminister Lauterbach äußert Verständnis.

Köln (epd). Kinder- und Jugendärzte fordern wegen fehlender Medikamente eine „schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung“ von der Politik. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte am Samstag Verständnis für das Anliegen der Ärztinnen und Ärzte. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kündigte Lockerungen für die Einfuhr nicht zugelassener Antibiotika-Säfte an. Die Stiftung Patientenschutz verwies darauf, dass neben Kindern auch andere Gruppen betroffen seien. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, forderte eine EU-weite Arzneimittelreserve.

In einem Offenen Brief warnen Pädiater-Verbände aus Deutschland, Frankreich, Südtirol, Österreich und der Schweiz, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sei durch den Medikamentenmangel „europaweit gefährdet“. Sie seien „in großer Sorge“, heißt es in dem Schreiben, das dem Evangelischer Pressedienst (epd) vorliegt. Kinder benötigten vergleichsweise wenige Medikamente, diese seien aber nicht ohne Weiteres austauschbar. Die Engpässe führten dazu, dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich seien. Zuerst hatte die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) darüber berichtet.

Laut dem Präsidenten des deutschen Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, fehlen vor allem Fieber- und Schmerzmedikamente in kindgerechter Darreichungsform, auch Penicillin gebe es derzeit nicht. Er hat den Brief mitunterzeichnet. Für den kommenden Herbst und Winter befürchte er, dass eine Versorgungsnot bevorstehe, „die noch schlimmer werden könnte als zuletzt“, sagte Fischbach der „NOZ“. Die Herstellung von Medikamenten für Kinder in Deutschland müsse gefördert werden.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach äußerte Verständnis für das Anliegen der Pädiater: „Die Sorge der Kinderärzte ist berechtigt“, schrieb er auf Twitter. Der Minister verwies aber auch auf ein vom Kabinett bereits beschlossenes Gesetz, das helfen soll, die Lieferengpässe zu beheben. Das Parlament berate schon über den Entwurf.

Demnach sollen etwa Hersteller höhere Preise für Kindermedikamente verlangen können, damit Lieferungen nach Deutschland attraktiver werden. Für einige Medikamente sollen Lagerpflichten eingeführt und Hersteller, die in Europa produzieren, stärker berücksichtigt werden. Kritiker befürchten allerdings, dass das nicht reichen wird, um die Situation dauerhaft zu entspannen.

Montgomery sagte, eine Verpflichtung für die Pharmaindustrie zu einer Arzneimittel-Reserve könne von Staat und Ärzteschaft „überwacht und gemanagt“ werden. Grund für die seit Jahren zunehmenden Engpässe in der Medikamentenversorgung seien „falsch gesetzte wirtschaftliche Anreize bei der Pharmaindustrie“, kritisierte er in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Hier stehe Ökonomie vor Menschlichkeit. Der Mediziner forderte zudem, die Politik müsse dafür sorgen, Produktionsstandorte zurück nach Europa zu holen. Lieferketten könnten zudem mit mehreren Quellen für Medikamente gesetzlich abgesichert werden.

Der bayerische Gesundheitsminister Holetschek kündigte an, vorübergehend den Import nicht zugelassener Antibiotika-Säfte für Kinder zu erlauben. Das ist möglich, weil der Bund offiziell einen Versorgungsmangel für diese Mittel festgestellt hat. Er habe die Krankenkassen zudem in einem Schreiben gebeten, Apothekern die eigene Herstellung von Antibiotika finanziell zu erleichtern und keine Zuschläge sowie Erstattungen zu verweigern.

Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte Lauterbach zum Handeln auf. „Die bisherigen nationalen und europäischen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Patientenversorgung sicherzustellen.“ Der Patientenschützer sieht eine problematische Situation auch für chronisch kranke Menschen. So seien etwa Blutfettsenker, Blutdruckmittel und teilweise auch Krebsmedikamente „Mangelware“.